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Forum
Zur Diskussion
digitaler Aufnahmetechniken Wie
unterschiedlich man die digitale Tonaufzeichnung beurteilen
kann, trotz evidenter Vorzüge der neuen Technik,
konnten unsere Leser über eine Reihe von Ausgaben
von HiFi-Stereophonie hinweg verfolgen. Wir möchten
mit den beiden nachstehenden Beiträgen an die vorausgegangene
Diskussion anknüpfen - nicht, um alte Argumente neu
aufzuwärmen, sondern um ergänzende und vertiefende
Gesichtspunkte ins Gespräch zu bringen. In beiden
Fällen handelt es sich - streng genommen - um Leserzuschriften
mit dezidierten, subjektiven Stellungnahmen. Insofern
wird hier nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wiedergegeben. |
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Welche
Technik für welchen Zweck? von
Helmut Püllmanns
Neue Techniken bringen immer Diskussionen ihrer Vor- und Nachteile
mit sich. Die Pro-Argumente kommen von der Seite ihrer "Erfinder"
und Promoter - sie verschweigen aus naheliegenden Gründen
die Schattenseiten der neuen Technik.
Contra-Argumente werden von denjenigen vorgetragen, die der
bekannten Technik vertrauen, schon deshalb, weil man sie kennt
und beherrscht. Oder anders: man kennt inzwischen ihre Schwachstellen
und kann ihnen oftmals (gekonnt) begegnen.
Zu loben ist, daß es einzig Arndt Klingelnberg im deutschen
HiFi-Blätterwald geschafft hat, eine seriöse Argumentationsgrundlage
zu entwickeln. Die sich anschließende Kontroverse mit
Jürg Jecklin, endlich einmal in einer HiFi-Zeitschrift!,
zeigt deutlich, daß unterschiedliche Ansätze und
Erfahrungen zwangsläufig zu anderen Argumenten führen
müssen. Daß Jecklin auf professionellem Terrain arbeitet,
prägt seine Argumente nachhaltig.
Klingelnberg hat zu Recht einige Probleme der PCM-Geräte
kritisiert. Das braucht nicht wiederholt zu werden. Es erscheint
mir jedoch wichtig, noch stärker auf die Unterschiede zwischen
den (meß-)technischen und praktischen Eigenschaften bei
digitalen Aufzeichnungsgeräten hinzuweisen. Denn nur die
praktischen Ergebnisse eignen sich für einen Vergleich
mit der analogen Magnetbandtechnik. Wobei ich auch hier strikt
zwischen Heim- und professionellen Tonbandgeräten unterscheiden
möchte.
Eines der Argumente für Digitaltechnik ist die Rauschfreiheit
und der damit verbundene erweiterte Dynamikumfang. Sieht man
sich die Rauschspektren analoger und digitaler Aufzeichnungsgeräte
an, so läßt sich näherungsweise sagen, daß
analoges Rauschen wärmer (gefärbter) als digitales
Rauschen ist, das mehr dem "weißen" Rauschen
ähnelt. Digitales Rauschen wird insofern rein gehörmäßig
als störender empfunden. Dies ist auch einer der Gründe,
weshalb ein größerer "foot-room" (s. weiter
unten) berücksichtigt werden muß.
Gerade weil das Ohr auf hartes ("weißes") Rauschen
sehr empfindlich reagiert, wird m. E. die Messung der Geräuschspannungsabstände
mit A-Filtern der Praxis nicht gerecht: Geräuschspannungsabstände,
die mit dem strengeren CCIR-Meßfilter (468-2) gemessen
werden, sind zwar dem Augenschein nach "schlechter",
spiegeln aber die praktischen Problemstellungen besser wider.
Nach CCIR 468-2 ergeben sich für analoge Tondbandgeräte
etwa 14 dB schlechtere Störabstände, bei Digitalgeräten
dürfte die Größenordnung etwa ähnlich sein.
Es gibt Versuche, durch neuartige Meßverfahren den spezifischen
Problemen der Digitalgeräte Rechnung zu tragen. Das bedeutet,
daß die technische Systemdynamik, der Abstand des Störpegels
zum Bezugspegel, auf viel zu "freundlichen" Meßwerten
beruht.
Warum ist das so? - Die Geräuschspannungsmessung erfolgt
über verschiedene Meßfilter. Im HiFi-Bereich wird
mit der von Klingelnberg verwendeten lEC-A-Kurve gemessen (s.
Abb.). Die A-Kurve vernachlässigt die Störwirkung
höherfrequenten Rauschens für das Ohr. Außerdem
werden nur Effektivwerte ermittelt, d.h. es findet eine Meßwertmittelung
statt. Mißt man mit Spitzenspannungsmessern, so ergibt
sich allein dadurch bereits ein "schlechterer" Meßwert
von ca. 4 dB, und zwar unabhängig vom verwendeten Meßfilter!
Verwendet man das im professionellen Bereich übliche CCIR-Meßfilter
468-2 (s. Abb.), dann verschlechtert sich der Geräuschspannungswert
um bis zu 10 dB! Die Addition beider Werte (4 dB + 10 dB) ergibt
eine Verschlechterung der technischen Systemdynamik um 14 dB.
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Bezogen auf die von Klingelnberg gemessenen
Daten, erhält man näherungsweise für einen 14-bit-Digital-Recorder
einen Störspannungsabstand von etwa "nur" 68
dB!, - für die analoge A 77 ergeben sich etwa 57 dB (bei
k3 = 3,0%).
Vergleicht man auf diesem "niedrigen" Niveau die Geräte
der Analog- und der Digitaltechnik, dann ist wichtig, welche
Geräte verglichen werden: Ich verstehe A. Klingelnberg
so, daß er mit Blick auf den HiFi-Anwender auf die in
der Tat altehrwürdige A 77 zurückgreift. Denn für
den HiFi-Freund sind eine A 77 oder entsprechende Vergleichsmodelle
anderer Hersteller die einzig gültige Vergleichsbasis.
Vermutlich nicht zuletzt durch die Kontroverse mit Jecklin wurden
auch professionelle Studiobandmaschinen in den Vergleich mit
einbezogen - für den HiFi-Anwender deshalb von Belang,
weil er aus dem Vergleich Digitalrecorder/ Studiomaschine Rückschlüsse
auf das derzeitige Niveau beider Systeme zieht.
Doch der Vergleich hinkt: Man sollte hier klar trennen zwischen
den Heimtonbandgeräten und den professionellen Bandmaschinen.
PCM-Recorder sind in der Summe aller Eigenschaften den Heimtonbandgeräten
überlegen. Im Vergleich mit professionellen Bandmaschinen
aber haben wir derzeit einen ungefähren Gleichstand beider
Systeme. Man kann meiner Auffassung nach noch nicht sagen, daß
die Digitaltechnik generell "besser" ist als die professionelle
Analogtechnik.
In der Summe kann der Geräuschspannungsabstand von Studiomaschinen
um ca. 8 dB besser sein als der einer A 77! Damit liegt man
etwa in der Größenordnung eines 14-bit-Recorders
- ohne Rauschunterdrückungssystem! Praktische
Aufnahmedynamik
Wie sehr der Vergleich Digital/ Analog bei Verwendung modernster
Bandmaschinen zum Teil durchaus für die Analogtechnik spricht,
folgt aus den Überlegungen zur effektiven Systemdynamik:
In aller Regel wird bei Systemvergleichen bzw. bei technischen
Veröffentlichungen nur die technische Systemdynamik diskutiert.
Klingelnberg hat in HiFi-Stereophonie 2/83 bereits auf die gehörbezogene
Systemdynamik hingewiesen, die niedriger liegt. - Im folgenden
beziehe ich mich auf die Ausführungen von Jakubowski und
Dickreiter (s. Lit):
Die effektive System- (praktische Aufnahmedynamik) ergibt sich
aus der gerechneten Systemdynamik, abzüglich der Verluste
durch nichtlineare Wandler und des Geräuschspannungspegels,
abzüglich des oberen ("head-room") und des unteren
Schutzbereiches ("footroom"). Nach Jakubowski / Dickreiter
liegt die effektive Systemdynamik von 16-bit-Systemen bei 54
dB. Bei 14-bit-Systemen dürfte sich der Wert auf etwa 44
dB verringern. Damit ist eine Größenordnung erreicht,
die von gut gewarteten Heimtonbandgeräten kaum, von professionellen
Studiomaschinen jedoch mit Sicherheit erreicht wird. Analoggeräte:
Ausgehend von einer auf den Nennpegel bezogenen Systemdynamik
von ca. 52 dB bei Studiomaschinen sind etwa 10 dB "footroom"
abzuziehen (42 dB). Unter "footroom" versteht man
den notwendigen Abstand zwischen dem Störpegel (Rauschen)
und der leisesten, noch deutlich unterscheidbaren Programmodulation
einschließlich eines gewissen Sicherheitsabstandes (6
dB wären notwendig, doch nicht hinreichend).
Bezogen auf den Aussteuerungsnennpegel verfügt also ein
analoges Studiotonbandgerät über eine effektive Systemdynamik
von etwa 42 dB. Darüber hinaus vergrößert sich
die Dynamik um den Betrag der Übersteuerungsfestigkeit
bei hochwertigem Bandmaterial. Setzt man eine Übersteuerungsreserve
von etwa 6 dB an, dann liegt eine effektive Gesamtdynamik von
48 dB vor. Bei Heimtonbandgeräten mag dieser Wert bei 40/42
dB liegen.
Der "headroom" bei Analogmaschinen ist in der Praxis
der Betrag zwischen Nennpegel (k3 = ca. 1,0%) und dem k3-Wert
von 3,0%, also etwa die Sättigungsgrenze des Bandes im
mittleren Frequenzspektrum. Digitalsysteme
(14 bit): Geht man von einer maximalen technischen Systemdynamik
von etwa 72 dB aus, so ist der "headroom" mit etwa
10 dB und der "footroom" mit etwa 20 dB abzuziehen.
Verbleiben etwa 42 dB effektive Systemdynamik.
Bei den genannten Werten muß berücksichtigt werden,
daß die Überlegungen auf Meßverfahren "für"
Analoggeräte beruhen. Inwieweit neuere Verfahren die Probleme
der PCM-Geräte berücksichtigen, wird sich in der Zukunft
zeigen.
Die Unterschiede zu den publizierten Dynamikwerten ergeben sich
durch folgende Überlegungen: Der "footroom" ergibt
sich im wesentlichen aufgrund der für das Ohr unangenehmeren
Zusammensetzung und Auffälligkeit des digitalen Störspektrums
sowie der zu geringeren Pegeln hin zunehmenden Klirranteile.
Der "headroom" von 10 dB ist erforderlich, um auch
extrem kurzzeitige Impulsspitzen noch "unterbringen"
zu können, andernfalls antwortet das System mit "harten"
Klirrverzerrungen (vgl. HiFi-Stereophonie 9/82 und 10/82). -
Gerade in diesem Punkt ist die Analogtechnik "gutmütiger",
weil die Klirrverzerrungen "weicher" einsetzen und
das Ohr weniger empfindlich darauf reagiert.
Wieviel Reserve?
Der "headroom" ist im übrigen eine Funktion der
Anzeigeschnelligkeit der Aussteuerungsinstrumente. Die in den
Rundfunkanstalten/ Tonstudios eingesetzten Quasi-Peak-Anzeigen
(10ms Anstiegszeit für -1 dB Anzeige) sind nach heutigem
Erkenntnisstand für die Digitaltechnik zu "langsam",
weswegen man teilweise bereits 10fach schnellere Instrumente
verwendet. Der Anzeigeunterschied liegt in der Größenordnung
von 4 bis 7 dB, d.h. Aufnahmen mit vergleichsweise "langsamen"
Instrumenten müssen um 4 bis 7 dB geringer ausgesteuert
werden. Dennoch wird selbst bei Verwendung der schnellen Anzeigeinstrumente
ein Aussteuerungs-"head-room" von bis zu 12 dB eingehalten!,
was etwa einem "headroom" von 15 dB bei "langsamen"
Instrumenten entspricht.
So gesehen, sind die von Klingelnberg angenommenen 6 dB Aussteuerungsreserve
(unterhalb der Clipp-Grenze) sehr knapp bemessen. Wenn z.B.
Sony für den F 1-Prozessor einen Aussteuerungswert von
-6 dB bis -15 dB nennt, besteht sicherlich die Gefahr einer
Untersteuerung des Aufnahmesystems. Doch ist angesichts der
kleineren verfügbaren Aussteuerungsreserve das Risiko einer
übersteuerten, einer unsauberen Aufnahme bei erhöhter
Grundaussteuerung weitgehend ausgeschlossen.
Versuche mit dem Sony F 1 bei normalem Rundfunkprogramm (U-Musik
und Klassik/ Live) zeigten, daß gegenüber studioüblichen
Anzeigeinstrumenten (10 ms) eine Anzeige bis zu +8 dB am Sony
F 1 erreicht wurden! Das bedeutet: Einerseits sind die Peak-Meter
des F 1 schnell genug, andererseits ist ein Sicherheitsabsand
von mindestens 10 dB auch bei scheinbar "normalem"
Programm einzuhalten.
Das bedeutet: Die angeführten Aussteuerungsreserven bei
Einpegelung auf -15 dB (Sony) und -12 dB (Rundfunk - HiFi-Stereophonie
9/82) sind gerade bei unbekannten Aufnahmebedingungen (Live!)
durchaus realistisch (vgl. auch T. Faulkner).
Betrachtet man also in der Praxis die effektive Systemdynamik,
dann sind digitale und analoge Systeme durchaus vergleichbar.
Voraussetzung auf der Analogseite ist allerdings eine korrekte
Einmessung der Bandmaschine.
Da aber gerade bei HiFi-Tonbandgeräten die Wartung als
überflüssiger Luxus angesehen wird und die Einmeßarbeiten
vom Fachhandel meist nicht durchgeführt werden können,
ist die praktische Tonqualität der digitalen Aufzeichnungsgeräte
höher zu veranschlagen.
Die klanglichen Unterschiede zwischen beiden Systemen sind nach
aller Erfahrung nicht groß, richtige Aussteuerung bei
Digitalsystemen und korrekte Einmessung analoger Bandmaschinen
vorausgesetzt. (Vgl. P. B. Fellgett).
Welches sind die Schlußfolgerungen für die Aufnahmepraxis?
- Ausgehend von der Erkenntnis, daß die Digitalgeräte
eine effektive Systemdynamik haben, die von den "glänzenden"
technischen Werbedaten abweichen, stellt sich der Vergleich
zur analogen Technik so dar:
Grundsätzlich gilt, daß die aufzunehmende Programmdynamik
an den effektiven Dynamikumfang des Aufnahmesystems. angepaßt
werden muß. Dieser Vorgang ist zu optimieren.
Für die analoge Technik spricht die höhere Flexibilität
("Gutmütigkeit") der oberen Systemgrenze: kurzeitige
Übersteuerungen werden "weich" abgefangen und
sind kaum wahrzunehmen. Länger andauernde Übersteuerungen
sind zwar als solche wahrnehmbar, zerstören aber den Informationseindruck
nur begrenzt. Größeres
Risiko
Digitalsysteme hingegen reagieren wesentlich abrupter und "härter".
Sie verlangen nach sorgfältigster Aussteuerung. Dafür
notwendig sind entsprechende Aussteuerungsmesser, eine gewisse
Ruhe und ein vorhersehbarer Ablauf der Dinge während der
Aufnahme (keine Störungen). Genau das ist bei Live-Mitschnitten
nicht immer zu gewährleisten: Unvorhersehbare Dynamikspitzen,
gegen das Aufnahmestativ hin umfallende Stühle (alles schon
passiert!), können in der Tat die gesamte Aufnahme "schmeißen".
Das Fazit: die wünschenswerte und realisierbare Aufnahmedynamik
steht gegen das Risiko einer "geschmissenen" Aufnahme.
Nicht so im professionellen Studio. Und hier unterscheidet sich
die Erfahrung und Argumentation Jecklins notwendigerweise von
der eines HiFi-Anwenders: Das beginnt mit den Aussteuerungsinstrumenten
(s. oben), der kontrollierten Studio-Ruhe eines abgetrennten
Aufnahmeraums, der möglichen Probezeit zur Ermittlung der
optimalen Aussteuerung und endet, wenn alle Stricke reißen,
bei den einschleifbaren extrem schnellen Signalbegrenzern (Regelzeit
< 50 µ).
Mit anderen Worten: der professionelle Betrieb gewährt
aufnahmetechnische Reserven durch Erfahrung und technische Ausstattung,
- die der private Anwender meistens nicht hat.
Herr Jecklin hat also durchaus gute Gründe für die
neue Digitaltechnik: Kompaktheit, Bandverbrauch, Spieldauer
und das Wichtigste: verlustfreie Bandkopien!
Analoggeräte hingegen sind einfacher und weniger kritisch
in ihrer praktischen Anwendung, sie sind universeller. Das Band
kann geschnitten werden. Dadurch werden auf einfache Weise Programmstücke
ohne Zwischenkopie zusammengestellt. Für den Heimbereich
dürfte das Argument einer optimalen Masterkopie nicht die
Rolle spielen wie im Tonstudiobereich.
Bislang wurde die Aufnahmeseite erörtert. Wie aber sieht
es auf der Wiedergabeseite aus? - Ich möchte einmal die
frevelhafte Frage stellen: Wozu benötigen wir eigentlich
mehr als 40 oder 50 dB Dynamik? - Und wie soll dieser Dynamikumfang
in einer Sozialwohnung ohne Kündigungsgefahr wiedergegeben
werden?
Die Praxis sieht doch wohl so aus: durchschnittlicher Raumpegel
in einer normalen Mietwohnung in den Abendstunden bestenfalls
40 dB(A)! Für die Hörsamkeit des leisesten Pegels
bei der Wiedergabe sind ein "Zuschlag" von mindestens
10 dB erforderlich. Ergibt mithin 50 dB(A). Geht man von einer
durchschnittlichen Programmdynamik von 40 dB aus, dann erreicht
man in den Spitzen des Programms einen maximalen Pegel von 90
dB(A). 90 dB(A), das sei in Erinnerung gerufen, entspricht etwa
starkem Berufsverkehr in einer Großstadt oder einem großen
LKW in unmittelbarer Nähe (man stelle sich alternativ ein
Moped ins Wohnzimmer)!
Sehen wir uns das einmal für eine maximale Orchesterdynamik
von ca. 75 dB an: also 40 dB(A) + 10 dB + 75 dB ergibt in der
Summe 125 dB(A), "gleich" Schmerzgrenze! Und kein
Qualitätslautsprecher vermag 125 dB(A) auch nur einigermaßen
originalgetreu und verzerrungsfrei wiederzugeben!
Bereits ohne Digitaltechnik wurden in den vergangenen Jahren
die technisch möglichen Dynamikumfänge von 50/60 dB
auf Werte von 30 und 40 dB reduziert (komprimiert)! Auch sogenannte
audiophile Superplatten machen da keine Ausnahme!
Fazit
Die analoge Bandmaschine wegschmeißen oder als "Altertümchen"
in die Ecke stellen, hieße den Fortschritt nur aus Werbeaussagen
verstehen zu wollen. Darin ist A. Klingelnberg nur zuzustimmen.
Die vorsichtige Skepsis wird durch einige CD-Aufnahmen überdeutlich
demonstriert. Denn fünf Jahre alte Analogaufnahmen (!)
als CD-Platte neuveröffentlicht, sind in Einzelfällen
von "reinen" Digitalaufnahmen gehörmäßig
nicht zu unterscheiden.
Mittelfristig jedoch wird sich die digitale Aufnahmetechnik
zu Recht aus innovativen und qualitativen Gründen durchsetzen.
Auf dem Heimsektor, weil die praktische Qualität der Bandmaschine
zu sehr vom örtlichen Service abhängt.
Auf dem professionellen Bereich, weil ohne Qualitätsverluste
kopiert werden kann und die Komplexität der Geräte
im Mehrspurbetrieb, insbesondere bei Verwendung von Rauschunterdrückungssystemen,
abnimmt.
Das alles setzt aber Kompatibilität bei den Digitalspeichern
voraus! - Immerhin bietet die Industrie inzwischen vier digitale
Speichersysteme an: Beta, VHS, Video 2000 und das neue 8-mm-Videoformat,
PAL- und NTSC-Norm nicht gerechnet. Sicherlich eignen sich nicht
alle genannten Systeme in gleicher Weise für die PCM-Tonaufzeichnung,
doch sollte man hier den ungünstigsten Fall mitdenken;
die vorherrschende Systemvielfalt wird (siehe Videobereich)
zum psychologischen Hemmschuh.
Das Analogband funktioniert seit mehr als 20 Jahren ohne Systemschwierigkeiten
und ist wohl auch in den nächsten 10 Jahren voll kompatibel
verwendbar. Darin liegt sein Vorteil. Das bedeutet: die Übergangszeit
im Heimbereich wird noch etwas dauern. Literatur:
H. Jakubowski / M. Dickreiter: "Dynamik"
in: V.DT.-Informationen (Jan. + Febr. 1983)
genehmigter Wiederabdruck durch:
Püllmanns GmbH, Köln
Prof. PB Fellgett: "The digital dilemma"
in: Studio Sound, 11/1982
Tony Faulkner: "Inside the PCM - F 1"
in: Studio Sound, 3/1983 Helmut
Püllmanns, geboren am 7. 12. 1949, gehört zu den HiFi-Enthusiasten,
die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Nach seinem Studium (Soziologie,
Politologie, VWL und Philosophie) ging Püllmanns quasi
in die Lehre, nämlich bei dem englischen Lautsprecherentwickler
und HiFi-Pionier Spencer Hughes. Begeistert von der Philosophie
und dem Klang der von Hughes entwickelten Spendor-Lautsprecher,
übernahm Püllmanns den Vertrieb dieser Marke in der
Bundesrepublik. Heute vertreibt die Püllmanns-GmbH außerdem
noch die Mikrophone der renommierten Marke Schoeps und die professionellen
ADT-Produkte. Püllmanns bietet zudem diverse Service-Leistungen
auf dem Gebiet der Raumakustik und der Aufnahmetechnik an. |
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Die
Technik ist nur der Diener! von
Bernhard Mahne
Die digitale Tonaufnahme stellt eine revolutionäre Veränderung
auf dem Gebiet der Tonaufzeichnung dar - für den Profi
im Studio ebenso wie für den Schallplattenfreund zu Hause.
Bisher haben in dieser Zeitschrift, soweit ich weiß, Rezensenten
oder aber Techniker ihre Meinung über Digital-Aufnahmetechnik
geäußert. Niemals hat das ein professioneller Musiker
oder gar ein Musiker und Techniker getan mit einschlägigen
Erfahrungen vor dem Mikrophon als Solist, Ensemble- und Orchestermitglied
sowie hinter dem Mischpult als Aufnahmeleiter oder Tonmeister.
Aufgrund dieser Erfahrungen möchte ich ein eindeutiges
Votum für die Digitalaufnahme abgeben; und zwar für
die Aufnahme ebenso wie für den Schnitt.
Die Vorzüge der PCM-Technik lassen sich indes im derzeitigen
Stadium der Einführung dieser Aufzeichnungsmethode allein
im täglichen Umgang mit ihr, während der praktischen
Arbeit, feststellen. Alle anderen "Testmethoden" halte
ich für untauglich, da in der jetzigen Situation der allgemeinen
Unsicherheit und des Kennenlernens noch zu wenig grundlegende
Erkenntnisse und Erfahrungen oder gar PCM-gerechte Aufnahmetechniken
vorhanden sind.
So kann man davon ausgehen, daß viele Digitalaufnahmen
eigentlich ganz normale Tonbandaufnahmen sind, bei denen eine
PCM-Apparatur mitgelaufen ist. Häufig wurde diese Apparatur
dann auch noch geliehen, und die Techniker kannten nicht viel
mehr von ihr, als die Stelle, an der sich der Netzschalter befindet.
Mit Netz und doppeltem Boden
Daß "Unfälle" kleinerer und größerer
Art noch an der Tagesordnung sind und daß ein Teil sogenannter
Digitalaufnahmen nur mit Hilfe des vorhandenen Analogbandes
das Licht der Öffentlichkeit erblicken konnte, ist sicher
einer der Gründe dafür, daß es häufig so
schwer fällt, digitale von analogen Aufnahmen zu unterscheiden.
Es muß also vor solchen Praktiken eindringlich gewarnt
werden. Wegen der niedrigeren Leihgebühr werden in diesen
Fällen häufig 14-bit-Systeme verwendet, die aber besondere
Erfahrung und sorgfältigen Umgang erfordern, wenn ihre
Qualitäten voll ausgeschöpft werden sollen.
Eine bei einer Digitalproduktion vorhandene Tonbandmaschine
ist immer ein Grund zur Vorsicht, vor allem, wenn professionelle
Geräuschverminderungsgeräte mitverwendet werden. "Rettungsaktionen"
größten Ausmaßes sind dann möglich, und
hinterher kann niemand mehr genau feststellen, wieviel Prozent
bei solchen Digitalaufnahmen wirklich digital sind.
Damit soll nicht gesagt sein, daß nun allgemein die Trickkiste
Digitalproduktionen beherrscht, nein, aber es gibt bei der Einführung
einer neuen Technik immer Schwierigkeiten, die in diesen Fällen
entweder in einer gewissen Schwäche des verwendeten Digital-Systems
oder aber in einer noch unzureichenden apparativen Ausrüstung
des Aufnahmeteams zu finden sind. Letzteres ist natürlich
bei den großen Schallplattenfirmen nicht der Fall.
Hürden ganz
anderer Art
Daß aber hier wie dort dem Gelingen einer Tonaufnahme
manchmal unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen, soll
im folgenden an einigen Beispielen angedeutet werden. 1.
Die Aufnahmetechnik (Rauschen, Aussteuerung, Dynamikeinengung).
Digitale Aufnahmen rauschen nicht, wird allgemein als selbstverständlich
angenommen. PCM-Systeme rauschen sehr wohl. Nur: Um die gerühmte
Rauschfreiheit zu erreichen, muß sehr sorgfältig
ausgesteuert werden. Das wird häufig mißachtet. Eine
nachlässige Aussteuerung fördert dann plötzlich
unerwartet Rauschen zutage. Eine sorgfältige, dem verwendeten
PCM-System angeglichene Aussteuerung ist Voraussetzung für
das Gelingen einer Digital-Aufnahme.
Eine 16-bit-Apparatur rauscht nicht etwa weniger als eine solche
mit 14 bit. Der Unterschied liegt in den Anforderungen, die
die Systeme an die Aussteuerung stellen. Bei PCM ist ein bestimmtes
Maß an Mut zum Risiko gefordert, vor allem beim 14-bit-System.
So kann eine Aufnahme mit einem 14-bit-System, bei dem die ganze
zur Verfügung stehende Dynamik genutzt, also voll ausgesteuert
wurde, "besser" sein als eine nachlässig ausgesteuerte
16-bit-Aufnähme, bei der ein Drittel oder gar die Hälfte
der zur Verfügung stehenden Speicherkapazität des
Systems verschenkt wurde und bei niedrigen Pegeln dann Rauschen
hörbar wird.
Die Dynamik einer Aufnahmeapparatur muß über der
des aufzunehmenden Programms liegen. Bei PCM-Aufnahmen ist diese
Voraussetzung dann gegeben, wenn die Aussteuerung stimmt. Es
ist aber sicher angebracht, die Dynamik des Programms leicht
einzuengen, und zwar nicht bei den Dynamikspitzen, wie bei den
analogen Aufnahmen, sondern bei den niedrigen Programmpegeln.
Das hat zwei Vorteile: Es besteht die Sicherheit, daß
auch bei großer Abhörlautstärke im pp kein Rauschen
hörbar wird. Außerdem kommt eine leicht eingeengte
Dynamik den Abhördbedingungen im Wohnraum entgegen, für
die ja alle Schallplatten gemacht werden. 2.
Die Interpreten. Man kann ja schneiden! Das ist die häufigste
und zugleich verheerendste Rechtfertigung vieler Interpreten,
unvorbereitet zur Aufnahme zu kommen und während der Aufnahme
zu üben. Das Ringen um jeden Takt bei der Aufnahme und
wahre Schneideorgien hinterher kennzeichnen solche Produktionen.
Die Musik bleibt dabei natürlich auf der Strecke, und wer
den Schnitt einer solchen Aufnahme bewerkstelligen muß,
ist zu bedauern.
Auch bei Künstlern, die reiche Erfahrung auf dem Gebiet
der Tonaufnahme haben, findet man oft erstaunliches Unverständnis
für die Grundbedingungen einer Tonaufnahme.
Sänger verlassen sich oft auf die Möglichkeiten des
play-back.
Die Nachteile der Mehrkanaltechnik werden bald fröhliche
Urständ feiern, wenn digitale Mehrspur-Recorder einigermaßen
preiswert und in transportablen Größen hergestellt
werden können. Es sind dann zwar klinisch saubere Mehrspuraufnahmen
möglich, aber der Manipulation sind Tür und Tor geöffnet,
und die Sängerin X und der Sänger Y können dann
wieder im Duett singen, ohne sich auch nur zu kennen. Daß
eine Aufahme, bei der der Solist seine eigene Begleitung begleitet,
mit Musik nichts mehr zu tun hat, ist klar.
Aber auch andere Dinge können die Musik zu Fall bringen.
Zum Beispiel Orchesteraufstellungen, die den Anforderungen der
Partitur widersprechen. Es gibt m. E. keine "Einheitsaufstellung''
für ein Orchester; weder in Oper und Konzert, noch bei
der Tonaufnahme. Unterschiedliche Partituren erfordern unterschiedliche
Orchesteraufstellungen! Seltsamerweise wird diese Tatsache beinahe
nie berücksichtigt, dabei böte sich hier eine Möglichkeit,
den Orchesterklang im Raum zu verbessern, die Partitur durchhörbarer
zu machen und bei Aufnahmen mit weniger und günstiger zu
plazierenden Mikrophonen auszukommen.
Eigenartige Gepflogenheiten, die weder historisch noch musikalisch
zu rechtfertigen sind, zerstören oftmals die Balance des
Orchesterklanges und erfordern bei der Aufnahme Stützmikrofone
mit all ihren Nachteilen und möglichen Fehlerquellen, wie,
um nur ein Beispiel herauszugreifen, das übliche Verringern
der Anzahl der Spieler in den Streichergruppen, von den ersten
Geigen angefangen, um je zwei Spieler. Um nicht ab acht erste
Geigen bei null Kontrabässen anzukommen, werden Bratschen
und Celli dann in gleicher Anzahl besetzt. Das führt natürlich
zwangsläufig zu einer Benachteiligung der so wichtigen
Mittelstimmen. Hinzu kommt häufig die Meinung, zweite Geiger
müssen immer schlechtere Spieler sein als erste. Also werden
dieser bereits durch die geringere Anzahl, die Stimmlage und
die Sitzposition klanglich benachteiligten Gruppe auch noch
die schwächeren Spieler zugeteilt, was das Problem perfekt
macht. Hier muß dann wieder gestützt werden, doch
was nicht gut klingt, wird auch durch Stützmikrofone nicht
besser! 3. Aufnahmeräume.
Es sind kaum mehr Aufnahmeräume mit guter Akustik und niedrigem
Geräuschpegel zu finden. Die akustische Umweltverschmutzung
ist so groß, daß Digitalaufnahmen in Sälen
mit weniger als 45 dB Abstand zwischen mittlerem Störgeräuschpegel
und Vollaussteuerung gemacht werden müssen, weil es keine
besseren gibt. 4. Das Aufnahmeteam.
Erste und wichtigste Forderung: Die Technik hat dienenden Charakter;
Ziel aller Bemühungen ist die Musik. Da ist wohl schon
die größte Hürde: Technik läßt sich
erlernen, Musikalität nicht!
Hilfreich kann das Hören von Musik im Original sein. Aber
welcher Tonmeister hat schon die Möglichkeit, Konzerte
und Opernaufführungen oft genug zu besuchen, um in seiner
Freizeit nicht nur Musik aus der Konserve zu hören, und
wer hält es für nötig, sich wenigstens vor Beginn
einer Aufnahme Musik, die aufs Band soll, im Original anzuhören.
Ich bin mir ziemlich sicher, daß ein ganz großer
Teil derer, die für den Klang einer Aufnahme verantwortlich
sind, Musik seit Jahren nur noch über die Regielautsprecher
kennt. Wo großer personeller Aufwand möglich ist,
wird dann oft sogar die Ausrichtung der Mikrophone einer Hilfskraft
überlassen. Wer kann schon so wichtige Forderungen erfüllen
wie: musikalische Abläufe kennen und erkennen, Musik "hören"
beim Lesen einer Partitur? Wenn man weiß, wie oft Opernaufnahmen
aus dem Klavierauszug geleitet werden, hat man einen Eindruck
davon, wie häufig diese Voraussetzungen erfüllt wird.
Sehr wichtig ist die Erfahrung im Umgang mit Sängern und
Instrumentalisten. Wenn man den Schwierigkeitsgrad einer Gesangsoder
Instrumentalpartie zu beurteilen vermag, hat man bald die Qualität
eines Orchesters, einzelner Stimmgruppen, der Instrumentaloder
Gesangssolisten erkannt und weiß, was man vom Einzelnen
erwarten kann.
Der Idealfall ist natürlich: selbst musizieren, am besten
virtuose Beherrschung eines Instruments, eigene Orchester-Kammermusik-und
Solistenerfahrung auf dem Konzertpodium und vor dem Mikrophon.
Gerade eine neue Technik, bei welcher die Musik durchhörbarer
werden kann, erfordert besondere Aufmerksamkeit und besonderes
Verantwortungsbewußtsein von selten des Aufnahmeteams.
Mir kommt es oft so vor, als fehle bei manchen Verantwortlichen
die Ehrfurcht vor dem Kunstwerk, das Bewußtsein, daß
man nur dienender Helfer ist, der durch Bescheidenheit dem Kunstwerk
des Komponisten gerecht werden muß.
Dem Klang der Instrumente nachlauschen, das Gefüge einer
Komposition hörend erfahren und ihr keine Gewalt antun!
In der langen Zeit meiner Orchesterpraxis ist mir keine Bruckner-Symphonie
und keine Wagner-Oper je zu lang geworden. Ich habe begeistert
gespielt und gleichzeitig noch begeisterter gehört. Die
hundertste Zauberflöte war für mich interessanter
als die neunund-neunzigste! Staunend erlebt man zu X-ten male
die Wiedergeburt eines Meisterwerks, an der man Anteil hat und
bei der sich stets neue, bisher nicht gekannte Perspektiven
eröffnen. Auf solche Weise Musik machen und auf solche
Weise Musik aufnehmen, wird niemals Langeweile aufkommen und
die Größe und Schönheit der gestellten Aufgabe
vergessen lassen. Bernhard
Mahne, 1938 geboren, hatte bereits mit 5 Jahren Klavierunterricht.
Vom Vater wurde er zum Spielen des Kontrabaß angeregt.
Mit 19 Jahren bekam Mahne - nachdem er einige Zeit mit internationalen
Jazzmusikern Kontakt hatte - seine erste Solo-Kontrabaß-Stelle
in einem Symphonieorchester. Mit 25 Jahren Mitglied der Bayerischen
Staatsoper. Mitglied verschiedener Ensembles für Neue Musik.
1970 Gründung eines eigenen Tonstudios und eines Plattenlabels
für junge Komponisten. Professuren in der Schweiz und in
Kalifornien. Virtuose Beherrschung des alten Streichinstruments
Violone in mehreren historischen Stimmungen. Schallplatten-
und Rundfunkaufnahmen, Konzerte, u.a. auch Scala, Mailand. 1980
Errichtung einer Digitalabteilung des Studios Dießen b.
München. Ausstattung: verschiedene PCM-Prozessoren, U-matic
und Beta-Recorder, Digital-Audio-Editor DAE 1000, Mischpulte,
Hallgeräte, Lautsprecher, Mikrophone, Tonbandgeräte,
Dolby-A. Bisher ca. 80 Digitalproduktionen für verschiedene
Schallplattenfirmen mit größtenteils international
renommierten Interpreten. |
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aus: HiFi Stereophonie, Heft
8/1983, Seite 858ff |
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Herzlichen
Dank an die Motorpresse
Stuttgart für die Erlaubnis, diese Artikel hier zu
veröffentlichen. |
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