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Praktiker
Jürg Jecklin, weit über die Landesgrenzen hinaus bekannter
Tonmeister in Basel, hat jahrelange Erfahrungen mit PCM-Aufnahmetechnik.
Er findet die Vorzüge von PCM-Anlagen weit gravierender
als deren eventuelle Kinderkrankheiten. Seine Symbiose mit den
neuen Geräten demonstriert dieses Foto. |
Der Sprung über
den Analogschatten PCM
contra Analogtechnik -eine Kontroverse
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Offensichtlich hat unsere
Beitragsreihe PCM im Vergleich - fünf PCM-Prozessoren und
ein Analogbandgerät mit Dolby B - einige Gemüter erhitzt.
Verständlich, hatte doch Arndt Klingelnberg mit seinen
Untersuchungen den Nachweis erbracht, daß es Disziplinen
gibt, in denen die Analogtechnik durchaus mithalten kann. Außerdem
hatte er erhebliche meßtechnische Unterschiede verschiedener
Prozessoren festgestellt. Soweit, so gut. Die Kontroverse, die
wir hier wiedergeben, betrifft weniger die Ergebnisse im einzelnen
als vielmehr deren Bedeutung in der Praxis. Jürg Jecklin,
Tonmeister bei Radio Basel, mochte Arndt Klingelnbergs Thesen
nicht unwidersprochen stehenlassen. Seinei Brief drucken wir
hier ab, zusammen mit einer Stellungnahme von Arndt Klingelnberg. |
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Unobjektive Artikel und unsorgfältige
Testberichte habe ich bis jetzt im HiFi-Stereophonie noch
nie gefunden. Und ich habe jede Ausgabe seit der Nummer
zwei gelesen. Die erste und einzige Ausnahme: Der Bericht
"Fünf PCM-Prozessoren und ein Analog-Bandgerät
mit Dolby-B-Nr" in Heft 12/82. Dieser Artikel hat
mich zum ersten Leserbrief meines Lebens provoziert, denn
wir stehen am Anfang einer neuen Ära auf dem Audiogebiet.
Und da ist jeder Leser darauf angewiesen (und brennt wohl
auch darauf), sorgfältig und richtig über die
neue PCM-Technik, ihre Vor- und Nachteile informiert zu
werden. Der Artikel von a.k. informiert meiner Meinung
nach nicht objektiv. Er ist leider nicht untypisch für
die heutige Situation, in der viele Leute Mühe haben,
über ihren "Analogschatten" zu springen.
Bereits beim ersten Durchlesen hat mich die verschleiernde,
unklare, "analogehrenrettende" Sprache gestört.
Der geneigte Leser ist gezwungen, zwischen den Zeilen
zu lesen. Der zweite noch heftiger zu bemängelnde
Punkt ist die PCM-diskriminierende Unvollständigkeit
der gemessenen Parameter. Zuerst
zur Sprache: |
Skeptiker
Arndt Klingelnberg hat ebenfalls jahrelange praktische
Erfahrungen mit PCM-Aufnahmegeräten. Er hat ihre
(z. T. nur anfänglichen) Tücken in schmerzlicher
Erinnerung, und seine theoretischen Untersuchungen fördern
so manche Stärke der scheinbar veralteten Analogtechnik
zutage. Hier übrigens beim Versuch, seinen Analogschatten
zu überspringen...
Beim Sprung über meinen Analogschatten war ich 1980
zunächst einmal ins Wasser gefallen. Der Grund: Fehlinformation
von verschiedenen Seiten, nicht zuletzt der Herstellerfirmen.
Die Erfahrungen dieses "Wassergusses" sollte
sich in meinem Testbericht zu den fünf PCM-Prozessoren
widerspiegeln, unsere Leser sollen nicht versehentlich
hinterherspringen. Daß die Quintessenz der mehrteiligen
Testreihe nicht direkt in Teil 1 zu finden ist, bitte
ich Herrn Jecklin zu entschuldigen, jeder erste Teil ist
per Definition unvollständig. |
1.
Bereits in der Einleitung steht folgender Satz: "Nach
dieser theoretischen Einführung soll nun anhand von
gemessenen Daten die Klangqualität der verschiedenen
Geräte verglichen werden". Diesen Satz verstehe
ich nicht. Meßdaten sagen klar nur etwas über
die technische Übertragungsqualität aus. Die
Klangqualität läßt sich jedoch nur gehörsmäßig
feststellen. |
zu Einwand
1. Nicht alle Arten von gemessenen Daten geben
über die zu erwartende Klangqualität Aufschluß
(Vergleiche: "Das mußte mal gesagt werden"
aus HiFi-Stereophonie 1982 Nr. 10). Gerade die Hersteller
haben aber den Eindruck erweckt, als sei der übliche
Dynamikmeßwert eine klanglich relevante Größe.
Herr Jecklin, Sie haben doch sicherlich auch eine feste
klangliche Vorstellung von den verschiedensten Meßwerten.
Nach geeigneten Verfahren gemessene und ausgewertete Größen
geben sehr wohl weitgehend über das Klanggeschehen
Auskunft. |
2.
Im Zusammenhang mit den Eigenschaften der Analog-Bandgeräte
kommt mehrmals das Wort "könnte" vor. Zum
Beispiel: "mit modernen Bändern könnten
sogar durchaus 82 dB (Geräuschabstand) möglich
sein". Zwischen den Zeilen gelesen heißt das,
es könnte zwar durchaus wohl, aber nur theoretisch
und nicht praktisch! Und gerade damit trifft der Verfasser
unbewußt den Kern des Problems: Analogbandgeräte
haben theoretisch bestimmte Eigenschaften, die man in
der Praxis aber nur selten realisieren kann (mit neuen
Köpfen, ideal auf das Band eingestellter Vormagnetisierung,
ohne Verschmutzungen, mit vollständig entmagnetisiertem
Gerät, exakt eingehaltenem Dolby-Pegel etc.). Bei
der Kombination Videorecorder-PCM-Prozessor gibt es jedoch
nicht die Diskrepanz zwischen theoretisch denkbarer und
praktisch verfügbarer Qualität, sondern nur
zwei Möglichkeiten: Die systembedingten Übertragungseigenschaften
sind ohne Einschränkung vorhanden - oder die ganze
Geschichte funktioniert überhaupt nicht. |
zu Einwand
2. Herr Jecklin, sollte man nicht Respekt vor einer
ehrwürdigen, vor 1967 entwickelten und Anfang 1973
produzierten Revox-Bandmaschine haben, und das zudem bei
einer (nach heutigen Verhältnissen beurteilt) "Einfach"-Bandsorte
(Revox 601)? Von Ihren Studiomaschinen wissen Sie sicher,
daß da gerne heutzutage 6,5 dB mehr "drin"
sind, und zwar praktisch. Theoretisch sind es natürlich
noch mehr. Gerade bei PCM beweist mein Artikel Teil 1
und erst recht der Teil 2, daß Theorie und Praxis
scharf auseinanderklaffen können. Ich mußte
erleben, daß digitale PCM-Systeme nicht nach "digitaler
Art" gut oder eben überhaupt nicht funktionieren.
Nein, sie können in "analoger Manier" sehr
gut funktionieren, noch gut funktionieren, so schlecht
funktionieren, daß man PCM für immer und ewig
verfluchen will, und natürlich auch überhaupt
nicht funktionieren. Ich konnte Ihnen, Herr Jecklin, bei
Aufnahmen zur DHFI-Platte Nr. 6 (PCM-Masterband) über
die Schultern sehen und weiß, daß Ihre Anlage
fast immer funktionierte, nur hatte ich eben andere Geräte
im Test und (angemessen) strenge Kriterien. |
3.
Es ist von einem Analog-Bandgerät mit Dolby-B-NR
die Rede. Ob die Messungen mit eingeschaltetem Dolby gemacht
wurden, erfährt man aber nicht. Als halbwegs Eingeweihter
nehme ich an, daß bei gewissen Messungen das Dolby
ausgeschaltet war, weil sonst unsinnige Ergebnisse resultiert
hätten. |
zu Einwand
3. Aus der Meßdatentabelle geht klar hervor,
welche Daten mit Dolby-B ermittelt wurden, und ebenso,
wann die PCM-Geräte auf Emphasis geschaltet waren
und wann nicht. (Die wesentlichen Messungen wurden alle
mit Dolby-B durchgeführt, da dies der für mich
übliche Betriebszustand ist). Auf spezielle Einflüsse
durch den Revox-Dolby-Schaltkreis wurde im Text mehrfach
hingewiesen. |
4.
Der Verfasser verwechselt die Begriffe "Einpegeln"
und "Aussteuern". Es ist zwar aus Sicherheitsgründen
zweckmäßig, eine PCM-Anlage einige dB unter
dem 0-Pegel einzupegeln, da sie keine Übersteuerung
verarbeitet. Aussteuern läßt sich aber auch
eine PCM-Anlage voll. |
zu Einwand
4. Der Begriff "Aussteuern" wird in verschiedenen
Sparten der Elektrotechnik unterschiedlich verwendet,
ich glaube aber kaum, den Ausdruck anders verwendet zu
haben als er auch in Tontechnikerkreisen benutzt wird.
Laut Test ist für die PCM-Geräte ein Aussteuerungsbezugspunkt
von (im Normalfall) 6 dB unter Begrenzung anzustreben.
Da ein HiFi-Amateuer über keine getrennten Studioaussteuerungsanzeigen
verfügt, kann er die von ihm benutzten Aussteuerungsanzeigen
nicht wie Herr Jecklin auf das Mischpult "einpegeln".
Der von uns benutzte Aussteuerungsbezugswert ist daher
ersteinmal für die gehörbezogene und zu bisherigen
(analogen) Verhältnissen vergleichbare Auswertung
von Interesse. Weiterhin beziehe ich mich auf einen Vortrag
von Prof. Martin Fouque auf der Tonmeistertagung 1981
in München. Fouque forderte 10 dB Reserve bei professionellen
PCM-Aufzeichnungen im Zusammenhang mit Studiospitzenanzeigen
(statt meiner 6 dB für HiFi-Anwendung). Dieser Ansicht
wurde vom Plenum nicht widersprochen. "Einige dB"
halte ich daher für eindeutig falsch; für den
HiFi-Anwender ist diese Angabe irreführend. |
Und
nun zu den Messungen
Natürlich stimmt das publizierte Ergebnis der Messungen.
Gemessen wurden aber nur die Parameter, bei denen ein
Analog-Aufnahmegerät einigermaßen mithalten
kann. Ausgelassen wurden unter anderem die folgenden Parameter,
bei denen die PCM-Technik eindeutig im Vorteil ist (und
die auch in erster Linie die Stärken der neuen Technik
ausmachen): |
Und zu den Messungen: |
1. Zum Beispiel
die Gleichlaufschwankungen.
Wow ist heute bei Analog-Bandgeräten kein Problem
mehr, wohl aber Flutter, der sich als "Rauhigkeit"
des Tones bemerkbar macht. Bei PCM gibt es diese Auswirkung
von Flutter nicht! |
zu 1.
Natürlich ist PCM-Technik hinsichtlich der Gleichlaufwerte
überlegen. Wir werden in unserer abschließenden
Bewertung darauf auch noch eingehen. (Ich nehme an, daß
die meisten unserer Leser bereits wissen, daß PCM
hier im Vorteil ist). |
2. Zum Beispiel
das Modulationsrauschen.
Bei Analoggeräten ist gerade das Modulationsrauschen
der ausschlaggebend kritische Punkt, vor allem bei Aufnahmen
von Musikinstrumenten ohne eigene Rauschkomponente (Klavier).
PCM-Aufnahmen haben kein Modulationsrauschen! |
zu 2.
PCM-Aufnahmen können, wie meine Messungen und verschiedene
Veröffentlichungen (nicht zuletzt der hervorragende,
grundlegende Artikel von Barry A. Blesser im AES Journal,
Oktober 1978, S. 739 f.) zeigen, durchaus Modulationsrauschen
aufweisen. Nur ist es von anderer Qualität als bei
Analoggeräten und muß nicht zwangsläufig
bei HiFi-PCM-Geräten auftreten (Sanyo Plus 5: unter
kritischen Voraussetzungen mit extremem Modulationsrauschen,
Sony PCM F1: nicht hörbares Modulationsrauschen -
siehe auch mein Digital-ABC). |
3. Zum Beispiel
die Phasenlage beider Kanäle im hohen Frequenzbereich.
Bei Analoggeräten ist die Phasenlage oberhalb von
10 kHz in der Praxis nahezu Undefiniert, und sie ändert
sich auch ständig. Schon eine ganz einfache Messung
mit der Darstellung einer Lissajou-Figur auf einem Oszillografen
zeigt das deutlich. Auf PCM-Aufnahmen sind beide Stereokanäle
frequenzunabhängig phasenstarr gekoppelt! |
zu 3.
Die Azimutprobleme analoger Bandgeräte (das ist die
Ursache der Phasenprobleme) werden in unseren Tests außergewöhnlich
genau untersucht und deutlich herausgestellt. Aber, wie
gesagt, es muß ja auch noch Stoff für die Zusammenfassung
bleiben. |
4.
Zum Beispiel die Aussteuerbarkeit bei hohen Frequenzen.
Bei Analoggeräten muß der Frequenzgang bei
einem Pegel von -20 dB gemessen werden. Bei Vollpegel
ist er wegen der Sättigung und Endmagnetisierung
des Bandes in den Höhen alles andere als linear.
Dies wirkt sich in der Praxis als Impulsverflachung, als
Aufweichen von impulsförmigen Schallvorgängen
aus. Die PCM-Technik hat diese Unzulänglichkeit nicht
(sofern ohne Vorentzerrung gearbeitet wird). |
zu
4. Die Aussteuerungseigenschaften im Hochtonbereich
sind deutlich im Test erwähnt (Höhendynamik),
zudem sprechen die Hochtonverzerrungen (14 u. 15 kHz)
in Tabellenwert (digitale Darstellung) und Bild (analoge
Darstellung) für sich. |
5. Zum Beispiel
der Einfluß eines Geräuschverminderungsverfahrens
bei Signalen, die den "Betriebssignalen" (Musik)
entsprechen. Die PCM-Technik benötigt keine Geräuschverminderungsverfahren
! |
zu 5.
Analoge Bandgeräte arbeiten mit Kompandersystemen,
die sicherlich oft genug alles andere als ideal sind.
Ich möchte Toningenieuren raten, trotzdem auch einmal
mit Dolby-B zu arbeiten, um zu erfahren, welch geringen
negativen Einfluß gerade Dolby-B bei einem Spulentonbandgerät
hat. (Aber auch das sollte in der Zusammenfassung gewürdigt
werden). |
In Fällen, in denen es letztlich um
die Klangqualität geht, argumentiere ich nicht gerne
mit Meßdaten. Meine mittlerweile mehr als zweijährige
PCM-Erfahrung (und diese Erfahrung kann jedermann bei
einem sorgfältigen Vergleich selbst machen) hat mir
aber klar gezeigt, daß gerade die oben erwähnten
(bei der Messung von HiFi-Stereophonie nicht berücksichtigten)
Parameter die eindeutige Überlegenheit der PCM-Technik
ausmachen. Ich möchte noch beifügen, daß
sich mein Pro-PCM-Urteil sogar auf den Vergleich des "schlechtesten"
der von HiFi-Stereophonie gemessenen Prozessoren mit bestens
gewarteten, professionellen Analog-Bandgeräten (mit
Dolby-A und Telcom und einer Bandgeschwindigkeit von 38
cm/s) bezieht.
Jürg Jecklin |
Die Argumentation mit Meßdaten soll
objektiv bisherige Meinungen (die auf zu einfachen Meß-
bzw. Propagandadaten basieren) wiederlegen oder eben auch
bestätigen, wo es gerechtfertigt ist. Der Diskriminierung
von Analoggeräten (interessanterweise auch von Geräten,
die vom eigenen Hause vertrieben werden) durch PCM-Hersteller
möchte ich jedoch ganz klar entgegentreten. Andererseits
ist klar, daß mich Daten und Hörresultate von
PCM überzeugt haben, aber nicht von beliebigen PCM-Geräten
allgemein. Dem (leider) schwarzen Schaf unserer Testreihe
möchte ich bei den meisten Anwendungen zumindest
keinen Vorzug vor einer guten (analogen) Bandmaschine
mit Dolby-B geben. Der Schwarze Peter bleibt so bei PCM.
Unbestreitbarer Vorteil - und das ist das in vielen Fällen
wichtigste Argument für PCM - ist "Digital Copy"
(wenn es klappt).
Arndt Klingelnberg |
|
aus: HiFi Stereophonie, Heft
3/1983, Seite 326ff |
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zu Teil III > |
Herzlichen
Dank an die Motorpresse
Stuttgart für die Erlaubnis, diese Artikel hier zu
veröffentlichen. |
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