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Spiel 77
Wer A sagt, muß nicht B sagen. Von
Wolfgang Feld |
Die erste Liebe ist meist sehr heftig - oft hält sie auch
besonders lang. Mir ging es einst so, als ich die Revox-Tonbandmaschine
A 77 im Schaufenster eines HiFi-Händlers sah: Es war Liebe
auf den ersten Blick. Das war 1967.
Seit über sechs Jahren bin ich nun stolzer Besitzer einer
Revox A 77 und noch immer fasziniert. Auch wenn der Reiz des
Neuen mittlerweile verflogen ist, im täglichen Umgang hat
sie mich noch nie im Stich gelassen und - im Gegensatz zu manch
anderem Gerät - auch noch nie enttäuscht.
So wie mir geht es wohl vielen Revox-Fans, denn dieser Schweizer
Tonband-Klassiker fand weltweit fast eine halbe Million Freunde.
Eine Stückzahl, die zwar gewaltig ist, Kenner der Materie
aber kaum überrascht. Das Konzept der A 77, vor über
15 Jahren entwickelt, ist so ausgetüftelt, daß es
mehrere HiFi-Generationen quasi ohne gravierende Veränderungen
überdauerte.
Es gibt nur wenige Beispiele für eine solch überlegene
Konzeption. Bei Tonbandgeräten fällt mir nur das ebenfalls
legendäre Uher-Report ein (siehe AUDIO 6/1980), das mit
nunmehr 20 Jahren auch eine respektable Produktionszeit aufweist.
Doch die Uher-Mannen haben ihr batteriebetriebenes Maschinchen
im Laufe der Zeit immer wieder modifiziert. Das jüngste
Modell hat mit dem Urtyp kaum noch was gemein.
Die Revox von heute indes unterscheidet sich von dem Modell,
das ich vor 14 Jahren erstmals sah, nur in einigen kleinen optischen
Details.
Geblieben ist beispielsweise das damals für Heimgeräte
fast sensationelle Drei-Motoren-Laufwerk, der geregelte Direktantrieb
der Tonwelle, die servicefreundliche Modultechnik sowie die
Tipptasten-Laufwerkssteuerung. Und natürlich hatte auch
schon die erste A 77 drei Tonköpfe (Lösch-, Aufnahme-und
Wiedergabekopf), die eine direkte Hinterbandkontrolle ermöglichen.
So gab und gibt es für die A 77 stets eine Menge technischer
Argumente. Schwierigkeiten machte eigentlich nur die Wahl, welche
A 77 man eigentlich kaufen sollte. Als ich vor sechs Jahren
mit meinen Ersparnissen beim Händler stand, präsentierte
er mir eine Liste von über 100 verschiedenen Versionen:
Mit und ohne Gehäuse, mit den unterschiedlichsten Bandgeschwindigkeiten,
in Voll-, Halb- und Viertelspur bot er die 77er an. Ich entschied
mich damals für die HiFi-gerechte Heimwerkerfassung: Geschwindigkeiten
9, 5 und 19 Zentimeter pro Sekunde (cm/s) und Halbspurbetrieb.
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Mittlerweile
im Aussehen geändert: erstes Modell der A 77 von 1967 im
Aluminium-Look. |
Nicht zuletzt diese Vielzahl von
Varianten sorgte für die Beliebtheit der A 77 bei Amateuren
und Profis. "Insgesamt lieferten wir 186 Versionen",
verriet mir später Jürgen Reith, 40, Geschäftsführer
der in Löffingen nahe der Schweizer Grenze ansässigen
deutschen Revox-Tochterfirma, die auch die Tonbandgeräte
herstellt.
Für anspruchsvolle HiFi-Aufnahmen gibt es beispielsweise
eine Ausführung mit eingebauter Dolby-B-Rauschunterdrückung.
In der Studiotechnik erfreut sich die Variante mit symmetrischen
Ton-Ein- und -Ausgängen mit den Geschwindigkeiten 19 und
38 cm/s großer Beliebtheit. Zur Aufzeichnung von Bundestags-Haushaltsdebatten
eignet sich die "Low-Speed-Version", die bei einer
Bandgeschwindigkeit von 2,36 cm/s ohne Unterbrechung auch fast
zehnstündige Diskussionen auf eine 26-Zentimeter-Spule
wickelt. Polizei und Militär bedienen sich gerne eines
der "Nato-Modelle" zur automatischen Aufzeichnung
von Telefongesprächen. Und in manchen Flughäfen dient
eine A 77 zur Aufnahme der Gespräche zwischen Tower und
Pilot.
Wir alle, die wir die A 77 schätzen, müssen dennoch
Abschied von ihr nehmen: Seit kurzem wird sie nicht mehr produziert,
und nur noch wenige Geräte stehen in den Lagern. Ein bedauerlicher
Entschluß der Firmenleitung, denn mit einem Preis von
rund 1700 Mark (1967: 1450 Mark) zählte die A 77 bis zuletzt
zu den günstigen Spitzen-Tonbandmaschinen. |
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Robuste Konstruktion durch
Druckgußchassis. Der Innenaufbau der A 77 ähnelt...
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Steckbrief
Revox A 77 |
Abmessungen
(mm):
415 H x 359 B x 180 T mit
26-cm-Spulen:
539 B x 442 H x 180 T Geschwindigkeiten:
(cm/s):
19 und 9,5 Spurlage:
Halbspur Hersteller:
Studer-Revox Talstraße 7 7827 Löffingen 1 Preis:
um 1700 Mark
(Bei der Preisangabe handelt es sich um Richtpreise nach
Herstellerauskunft. ) |
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...
dem Nachfolger B 77. Die Elektronik ist auf steckbaren Modulen
untergebracht.
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Steckbrief
Revox B77 |
Abmessungen
(mm):
452 B x 414 H x 207 T mit
26-cm-Spulen:
538 B x 464 H x 207 T Geschwindigkeiten:
(cm/s):
19 und 9,5 Spurlage:
Halbspur Hersteller:
Studer-Revox Talstraße 7 7827 Löffingen 1 Preis:
um 2200 Mark
(Bei der Preisangabe handelt es sich um Richtpreise nach
Herstellerauskunft. ) |
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Freilich gibt es bereits seit zwei
Jahren den Nachfolger. Doch die B 77 ist nicht nur rund 500
Mark teurer, sie läßt auch jenen liebenswerten Nostalgie-Charme
vermissen, der die A 77 auszeichnet. Die Neue, inzwischen zur
B 77 MK II gereift, präsentiert sich klobig und unübersichtlich.
Doch ein direkter Vergleich zeigt, daß auch sie ihre besseren
Seiten hat. Beispielsweise erfordert das Bandeinlegen nicht
mehr jene Fingerfertigkeit, die A 77-Besitzer entwickeln müssen.
Deutlich besser geriet auch die elektronische Laufwerksteuerung,
die problemlos arbeitet und selbst bei direktem Umschalten von
schnellem Vor- oder Rücklauf auf Wiedergabe Bandsalat verhindert.
Wer bei der A 77, die mit Relais arbeitet, sichergehen wollte,
daß sein Band bei solchen Aktionen heil blieb, konnte
sich freilich helfen. Für lumpige 70 Mark bietet der Mainzer
Elektroniker Hendrik Dänicke einen Zusatz an. Diese "Play-Memory"-Platine
(siehe Kasten) habe ich schon vor Jahren in meine A 77 eingebaut
und seither nie wieder Bandwürmer produziert.
Je nach Verwendung kann es auch lustig oder nützlich sein,
die Bandgeschwindigkeit der B 77 MK II stufenlos um jeweils
plus/minus zehn Prozent regeln zu können. Ich habe diesen
Gag bei meiner alten Maschine allerdings nie vermißt.
Eher gestört haben mich da schon mal die recht kleinen
Aussteuerungsinstrumente. Hier bietet die Neufassung deutliche
Vorteile, zumal sie mit einer zusätzlichen Leuchtdiode
auch Spitzenwerte anzeigen. Dadurch schlugen die Revox-Entwickler
zwei Fliegen mit einer Klappe: Einmal zeigen die relativ trägen
VU-Instrumente (Volume-Unit = Lautstärke-Einheit) den Mittelwert
des Signals gut an, zum anderen ist man vor kurzfristigen Impulsübersteuerungen,
die man mit VU-Instrumenten alleine gar nicht sieht, geschützt.
"VU-Meter sind international üblich. Sie zeigen die
Lautstärke besser an als Spitzenwertanzeigen, bei deren
Verwendung das Band oft nicht genügend ausgesteuert wird",
begründet Guido Besimo, 48, Entwickler der A 77, den Kompromiß.
Das klingt zwar durchaus einleuchtend, doch unverständlich
ist nur, weshalb die B-Ausführung nicht auch gleich die
großen Aussteuerungsinstrumente erhielt, wie sie die halbprofessionelle
A 700 besitzt. Zumal dabei die Zeiger einander gegenüberstehen,
was die präzise Aussteuerung erheblich erleichtert.
Doch auch in weiteren Punkten übertrifft die B 77 den Vorgänger:
So läßt sich beispielsweise ein Tonkopf für
die Diaprojektor-Steuerung nachrüsten. Da diese Aufzeichnung
auf der zwei Millimeter breiten Trennspur zwischen den beiden
Tonspuren geschieht, sind sogar Diavertonungen in Stereo möglich.
Ebenso gelingt das Cutten von Bändern besser. Denn in der
B 77 sind eine präzise Schneidevorrichtung* und ein Cue-Hebel,
der zusammen mit den Tasten für Vor- und Rücklauf
genaues Rangieren und Auffinden einer Bandstelle gewährleistet,
eingebaut.
Diese Vorteile wiegen jedoch einen Nachteil, den die B 77 von
ihrem Vorläufer übernahm, nur unzureichend auf: Auch
das B-Modell besitzt nur unsymmetrische Mikrofoneingänge.
Dadurch lassen sich nur recht kurze Mikrofonkabel verwenden,
wenn man sichergehen will, daß es nicht brummt. Wer wie
ich häufig Live-Aufnahmen macht und dabei mit langen Kabeln
arbeiten muß, braucht separate Übertrager, die die
Eingänge symmetrieren.
Als wenig geglückt empfinde ich auch das Anschlußfeld
der B 77, denn die Buchsen liegen recht unzugänglich versteckt
an der Geräterückseite.
So konnte die B 77 im praktischen Gebrauch zwar einige Pluspunkte
sammeln, sensationelle Verbesserungen konnte ich jedoch nicht
feststellen. Ähnlich verlief dann auch der Hörvergleich**
(jeweils 19 cm/s), bei der die Revox-Modelle gegen eine AS 6002
des Aschaffenburger Herstellers ASC antraten. |
A
77 ohne Bandsalat |
Die mit Play-Memory"
(Start-Funktions-Speicher) bezeichnete Zusatzschaltung
verhilft der A 77 zu ähnlich guten Laufwerkeigenschaften,
wie sie die B 77 aufweist. So kann problemlos vom schnellen
Umspulen auf Play geschaltet werden. Die Maschine schaltet
dann auf Stop, und wenn der Bremsvorgang beendet ist und
die Spulen stillstehen, beginnt die Start-Funktion. Den
Zusatz (Stroboskop-Scheibe, Impulsgeber und Elektronik-Platine)
kann jede Fachwerkstatt schnell einbauen. Allerdings sollte
man damit bis nach Ablauf der Garantiezeit warten, denn
dieser Eingriff kann das Erlöschen der Gewährleistung
zur Folge haben. Vertrieb:
(bei Bestellungen A 77-Typ angeben):
Hendrik Dänicke Kaiser-Wilhelm-Ring 31 6500 Mainz
Preis: um 70 Mark |
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Durch farbige Anschlußdrähte
leicht zu montieren: PM-Zusatz zur Vermeidung von Bandsalat
bei der A 77. |
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Dabei gefiel die B 77 zwar durch
eine sehr präsente Höhenwiedergabe, doch im Vergleich
mit dem Vorband-Signal stellte sich dann rasch heraus, daß
sie die hohen Frequenzen leicht überbetonte. Im Vergleich
zum Original klang die A 77 dagegen matter; doch ihre Tiefenwiedergabe
sowie die räumliche Auflösung überzeugte.
In puncto Rauschen hingegen war die A 77 ihren Kontrahenten
leicht unterlegen, was auch die Meßergebnisse belegen.
Wacker schlug sie sich jedoch bei der Wiedergabe der AUDIO-Referenzplatte
"Innsbruck, ich muß dich lassen" (siehe Seite
36). Die geringsten Unterschiede produzierte indes die ASC-Bandmaschine,
die weitgehend neutral und ausgewogen klang.
Doch der Vergleich des Revox-Oldies mit dem ASC-Bandgerät
ist ja auch fast unfair. Immerhin kostet die AS 6002 fast 1000
Mark mehr. Und auch die klanglichen Differenzen zum jungen Bruder
sind keine 500 Mark wert.
So kann ich denn auch heute noch die A 77 all jenen empfehlen,
die ein robustes, langlebiges und zuverlässiges Tonbandgerät
suchen. Allerdings sollten sich Interessenten beeilen, die Lagerbestände
dürften nicht mehr lange halten.
Ich jedenfalls werde meiner A 77 noch lange treu bleiben - auch
wenn ich sie gelegentlich mit einer A 700 betrüge.
* Die Revox-Schneidevorrichtung
ist auch als Zubehör erhältlich (siehe Seite 31).
** Mit Moving-Coil-System Dynavector Karat, Dynavector-Tonarm
DV 505, Luxman-Laufwerk PD 555, KS-VorverstärkerV32, Aktivlautsprecher
Phonogen Concert. |
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Der Vater der erfolgreichen A 77-Serie:
Guido Besimo. Der Schweizer entwickelte bereits das Modell
G 36. |
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Bewährtes Vorgängermodell
der A 77: Mit Röhren bestückte Stereo-Bandmaschine
G 36 von Revox. |
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*** AUDIO-COMPUTER-MESSERGEBNISSE ***
TONBANDGERAET Revox A 77
Gleichlaufschwankungen
(linear) |
|
|
19
cm/s |
|
0.15% |
|
|
|
Abweichung
von der Sollgeschwindigkeit |
|
|
19
cm/s |
|
-0.06% |
|
|
|
Umspulzeit
1080m Bandlaenge |
|
200s |
|
|
|
|
|
|
Fremdspannungsabstand
|
links
|
rechts |
4,75cm/s |
-- |
--dB |
9,5
cm/s |
60 |
59dB |
19
cm/s |
67 |
61dB |
38
cm/s |
-- |
--dB |
|
|
|
Hoehendynamik
|
links
|
rechts |
4,75cm/s |
-- |
--dB |
9,5
cm/s |
48 |
50dB |
19
cm/s |
60 |
57dB |
38
cm/s |
-- |
--dB |
|
|
|
Klirrfaktor
bei 0dB Aussteuerung |
|
|
19
cm/s |
0,68 |
0.85% |
|
|
|
Eingangsempfindlichkeit
|
links
|
rechts |
Mikrofon
|
0,22 |
0.23mV |
Hochpegel
|
54 |
52mV |
|
|
|
Ausgangsspannung
|
links
|
rechts |
|
4300 |
4230mV |
|
|
|
*** AUDIO-COMPUTER-MESSERGEBNISSE ***
TONBANDGERAET Revox B 77 MkII
Gleichlaufschwankungen
(linear) |
|
|
19 cm/s |
|
0.08% |
|
|
|
Abweichung von der
Sollgeschwindigkeit |
|
|
19 cm/s |
|
-0.10% |
|
|
|
Umspulzeit
1080m Bandlaenge |
|
200s |
|
|
|
|
|
|
Fremdspannungsabstand
|
links |
rechts
|
4,75cm/s |
-- |
--dB |
9,5 cm/s |
62 |
62dB |
19 cm/s |
67 |
65dB |
38 cm/s |
-- |
--dB |
|
|
|
Hoehendynamik |
links |
rechts
|
4,75cm/s |
-- |
--dB |
9,5 cm/s |
54 |
52dB |
19 cm/s |
61 |
58dB |
38 cm/s |
-- |
--dB |
|
|
|
Klirrfaktor bei 0dB
Aussteuerung |
|
|
19 cm/s |
0,72 |
0.83% |
|
|
|
Eingangsempfindlichkeit
|
links |
rechts
|
Mikrofon |
0,27 |
0.28mV |
Hochpegel |
66 |
67mV |
|
|
|
Ausgangsspannung
|
links |
rechts
|
|
2600 |
2640mV |
|
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aus Audio 5/1981
S.38 ff.
Herzlichen Dank an die Motorpresse
Stuttgart für die Erlaubnis, diesen Artikel hier zu veröffentlichen.
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