Ulrich Theimann www.theimann.com
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Ronald van Rijn  
Spezial-Entzerrer für Schellack Platten  
Der Verfasser besitzt eine größere Sammlung an Platten von Enrico Caruso, deren Wiedergabe er erfolgreich optimiert hat. Ohne, daß natürlich auch nur im entferntesten von Hi-Fi-Wiedergabe die Rede ist, ist es doch möglich, die vorhandene Information zu regenerieren und die Störgeräusche so zu unterdrücken, daß die Aufnahmen trotz ihres eingeengten Übertragungsbereiches ein gutes Bild von den künstlerischen Leistungen des Sängers geben.  
Bild 1. Zur Verbesserung der Wiedergabe von Schellackplatten wird dieses Gerät zwischengeschaltet
Die breitgefächerte Nostalgiewelle hat auch bei Schallplatten keinen Halt gemacht, und so gibt es immer mehr Sammler von alten 78-U/min-Schellackplatten. Spielt man sie auf einer modernen Hi-Fi-Anlage ab, so klingen sie miserabel. Nun, ernsthafte Sammler alter Platten haben längst erkannt, daß die damalige alte Abspielapparatur viel besser geeignet war, diese Platten wiederzugeben. So besitzt so mancher Sammler neben seinem Hi-Fi-Plattenspieler ein altes Modell mit Magnetsystem und Stahlnadeln, sowie ein Koffer- oder Trichtergrammophon für akustische Aufnahmen vor 1925. Tatsächlich klingen die alten Platten wesentlich besser auf der dazu gehörenden Abspielapparatur. Der Grund dafür liegt hauptsächlich in den wesentlich schlechteren Übertragungseigenschaften der alten Abspielapparatur, wodurch uns viele von den auf den Platten vorhandenen Störgeräuschen erspart bleiben.
Andere oft weniger beachtete Gründe für die schlechte Wiedergabequalität sind eine falsche Entzerrung und die falsche Nadel. Es wurde früher (vor 1920) mit noch größerer Nadelverrundung geschnitten als bei den späteren elektrischen Aufnahmen. Eine englische Firma ¹) liefert heute noch recht preiswert jede gewünschte Nadelform. Man braucht nur eine abgenutzte Nadel komplett mit Träger hinzusenden und bekommt die gewünschte Nadel komplett montiert zurück. Für Platten vor 1920 wird 0,004-Zoll-Radius, für Platten von 1920...1939 ein 0,0035-Zoll-Radius und für Aufnahmen von 1939...1950 ein 0,0028-Zoll-Radius empfohlen.
Zur Entzerrung muß gesagt werden, daß bei elektrischen Aufnahmen die Höhen bei der Aufnahme nicht angehoben wurden, so daß sie bei der Wiedergabe auch nicht abgesenkt werden dürfen, wie das bei allen modernen Entzerrer-Vorverstärkern der Fall ist. Die Folge ist eine dunkle, hintergründige Wiedergabe. Die Tiefenentzerrung bis 1940 in den USA und bis ca. 1950 in Europa ist der RIAA-DIN-Entzerrung sehr ähnlich, so daß hier keine Probleme entstehen. Für Aufnahmen nach 1940 bzw. ca. 1950 wurde auch eine andere Tiefenentzerrung, nämlich 250 Hz statt 500 Hz verwendet. Diese Aufnahmen klingen auf einer Hi-Fi-Anlage dadurch noch dumpfer. Das hier beschriebene Gerät (Bild 1), das zwischen Tonabnehmersystem und Eingang des Verstärkers angeschlossen wird, räumt mit all diesen Nachteilen beim Abspielen alter Schellackplatten auf.

¹) Export Pickups P.O., Box Nr.3, Ashtead, Surrey KT 21 2QD, England.


Die Schaltung
 
Blockschaltbild Bild 2. Blockschaltbild des Spezial-Entzerrers für Schellackplatten
Das Signal gelangt über den Stereo-Entzerrer-Vorverstärker (Bild 2) auf einen vierpoligen Umschalter S 1. In der einen Stellung von S 1 wird die Stereo-Information moderner Schallplatten direkt zum Ausgang geführt. Dabei soll der Entzerrer auf RIAA eingestellt werden. In der anderen Stellung des Umschalters werden die beiden Entzerrer-Vorverstärker parallel geschaltet, sowie der jetzt ebenfalls parallel geschaltete Ausgang an die weitere Elektronik angeschlossen. Mit dem Wahlschalter S 2 am Entzerrer (Bild 3) wird nun auf 78 U/min, 500 Hz oder gegebenenfalls auf 78 U/min, 250 Hz (nur für neuere elektrische Aufnahmen) umgeschaltet.
Der Entzerrungs-Umschaltung folgt die Umschaltung für elektrische oder akustische Aufnahmen (S 3). Für akustische Aufnahmen geht hier der Weg direkt zu einer Rumpel-Rauschfilter-Kombination (Bild 4). Für elektrische Aufnahmen ist keine weitere Entzerrung vorgesehen. Die Tiefen werden in gewohnter Weise am Baßeinsteller des Hi-Fi-Verstärkers eingestellt, der Höheneinsteller sollte in Mittelstellung (linear) gebracht werden.
 
Entzerrer-Vorverstärker Bild 3. Entzerrer-Vorverstärker
Rumpel-Rauschfilter Bild 4. Rumpel-Rauschfilter, Tiefenanhebung mit Präsenzeinsteller
In Stellung "akustisch" schneidet das Rauschfilter bei 4,5 kHz und das Rumpelfilter bei 125 Hz mit 13 dB/Oktave ab. Es stellte sich bei der Entwicklung heraus, daß unter 125 Hz kaum Informationen vorhanden waren. Was man hört, sind sogenannte virtuelle Bässe, d. h. man hört die Obertöne und bildet sich den Grundton dazu ein. Rumpeln ist dafür um so mehr vorhanden, besonders unter 50 Hz. Durch dieses Filter ist der Störabstand schon erheblich verbessert. Messungen und gehörmäßige Untersuchungen ergaben, daß bei den meisten Aufnahmen schon unter 700 Hz ein Frequenzabfall zu verzeichnen ist, so daß sich eine regelbare Baßanhebung mit ihrem Schwerpunkt bei 250 Hz als optimal erwies. Hiermit wird die "Wärme" der Stimme eingestellt. Über 2 kHz nehmen die Höhen schon leicht, ab 3,5 kHz schon sehr stark ab, bei 5 kHz ist nur noch Rauschen. Experimentell wurde ein Präsenzeinsteller mit 3 kHz Schwerpunkt-Frequenz ermittelt.
Das Signal gelangt nun an das Rauschfilter 1l, das eine Steilheit von 36 dB/Oktave hat. Hierbei handelt es sich um zwei hintereinander geschaltete Butterworth-Filter dritter Ordnung (Bild 5), die je 18 dB/Oktave absenken. Die erste Stufe des Filters ist ein Verstärker, der eine Resonanzerhöhung bei ca. 4,5 kHz aufweist, so daß der Abfall an den Eckfrequenzen 3,4 kHz und 4,5 kHz nur etwa 3 dB beträgt. Für akustische Aufnahmen wurde 3,4 kHz, für elektrische 4,5 kHz oder 6,3 kHz obere Grenzfrequenz gewählt. Sie können beliebig eingestellt werden. Die große Steilheit ist notwendig um das Rauschen fast restlos zu beseitigen.
 
Elektronisches Rauschfilter Bild 5. Elektronisches Rauschfilter mit Präsenzeinsteller
Künstliches Rauschen

Während der Untersuchungen bekam der Verfasser manchmal den Eindruck, als ob mit dem frühzeitigen Abschneiden der Höhen doch etwas vom musikalischen Inhalt mitabgeschnitten wurde, obwohl eine Spektrum-Analyse das Gegenteil ergab. Es handete sich hier um folgendes Phänomen: Man bildet sich ein, es seien mehr Höhen da, wenn ein hochfrequentes Rauschen und Klirranteile die Musik überlagern. Das wurde dadurch nachgewiesen, daß beim beschnitten Signal (3,4 kHz) Rauschen aus einem FM-Tuner zugemischt wurde, und man dadurch den Eindruck bekam, das Signal würde in den Höhen "breiter" klingen.


Aufnahmen von Schellackplatten


Werden alte Aufnahmen auf Band überspielt, so wäre bei deren Wiedergabe ein unsauberes Klangbild zu hören. Ursache sind die bei jeder Tonbandaufnahme entstehenden 3. Oberwellen, die im Übertragungsbereich von Hi-Fi-Anlagen liegen. Abhilfe schafft das Rauschfilter 2 (Bild 5) mit einer Rauschunterdrückung von 36 dB/Oktave. Mit einem Trimmer ist der Aufnahmepegel für DIN-Aufnahmen einstellbar. Ein weiterer Umschalter (S 4) ermöglicht direkte Plattenwiedergabe oder Bandwiedergabe. Aufnahme ist in beiden Schalterstellungen möglich. Noch bevor das Signal das Rauschfilter 2 erreicht, erfolgt die letzte wichtige Entzerrung mit dem Präsenzschalter, der sowohl Anhebung als auch Absenkung ermöglicht. Dieser Schalter ersetzt für 78er Platten den am Hi-Fi-Ver-stärker vorhandenen Höheneinsteller.
 
Ronald van Rijn, geboren 1940 in Utrecht (Niederlande). Besuchte dort die Grund- und Mittelschule von 1946 bis 1956. Danach praktische berufliche Ausbildung bei verschiedenen Firmen als Nf-Verstärker-Techniker. Beschäftigte sich mit selbständiger Entwicklung und Fertigung von Verstärker- und Übertragungsanlagen, dem Aufnehmen von Schallplatten und der Reparatur von Lautsprechern, Tonbandgeräten und Radios. Seit 1963 im Elektroniklabor des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin tätig.  
Stichworte zum Inhalt:
Schellackplatten, Nadelverrundung, Entzerrung, Rumpel-Rauschfilter, Butterworth-Filter dritter Ordnung, Präsenzschalter.
 
aus: Funkschau 19/1980, Seite 87 ff.

Herzlichen Dank an die Funkschau für die Erlaubnis, diesen Artikel hier zu veröffentlichen.
 
 
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