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Aussteuerungsprobleme
 

Alle Komponenten einer HiFi- Anlage müssen optimal ausgesteuert sein. Damit wird gewährleistet, daß das zu verarbeitende Programmaterial (Musik, Sprache, Geräusche) mit möglichst geringem Qualitätsverlust "verarbeitet" wird. Qualitätseinbußen treten auf sowohl bei zu hoher Aussteuerung durch Klangverfälschungen infolge deutlich erhöhter Verzerrungen (Klirrgrad und Intermodulation) als auch bei zu schwacher Aussteuerung durch ein zu starkes und damit auffälliges Störgeräusch (Rauschen und Brummen). Der Lautstärkebereich zwischen der Verzerrungsgrenze (sehr laut) und den Störgeräuschen (sehr leise) stellt den übertragbaren Dynamikumfang dar (Bild 1: eingeschlossene Fläche).
 
Dynamikbereich eines Tonbandgerätes

1 Dynamikbereich eines Tonbandgerätes, hier eines guten Cassettenrecorders mit Cr- Band (II) und Dolby-B.

- Oben: Verzerrungsgrenzen. Absolutes Maximum für Signalbegrenzung bzw. Sättigung; höhere Pegel können nicht mehr gespeichert werden. Die mittlere Kurve entspricht üblichen Meßwerten (Baß: 5% k3; Mitten: 3% k3; Höhen: Sättigung). Kaum mehr wahrnehmbare Verzerrungen treten bei der unteren Pegellinie auf. Bei länger andauernden Tönen sollte sie möglichst nicht überschritten werden (Tiefbaß: 3% k3; Mitten: 1% k3; Höhen: 2,5 dB unter Sättigung).

- Unten: Störspannungsgrenzen. Die Störspannung setzt sich aus Brummanteilen (50 Hz und Harmonischen) und Rauschen zusammen. Die Geräuschspannung faßt den oberen Mitten- und den unteren Hochtonbereich zusammen, die Fremdspannung bewertet den gesamten Hörbereich gleichermaßen (wobei hier die Brummanteile dominieren).

- Eingeschlossene Fläche: Gesamtdynamik. Die verschiedenen Dynamikmeßgrößen sind eingetragen: Fremdspannungsabstand, Ruhegeräuschspannungsabstand. Höhendynamik und Tiefendynamik. (Die Tiefendynamik wird von uns nicht bestimmt, da der Baßfrequenzgang- insbesondere singuläre Welligkeiten- das Ergebnis unzulässig verzerren. Die Tiefendynamik liegt bei richtigem Baßfrequenzgang ca. 2, 5 dB unter dem Fremdspannungsabstand. )

- Mitte: Pegelniveau für Frequenzgangmessungen zur Orientierung (Pegel nach DIN festgelegt).

Die "vorfabrizierten" Programme von Rundfunk und Schallplatte bereiten keine Probleme. Verstärker und Empfänger bzw. Schallplattenspieler sind aufeinander abgestimmt und weisen jeweils ausreichende Dynamikreserven auf. Anders ist es bei der Aufnahme auf Band (Spule oder Cassette). Es steht nur ein beschränkter Dynamikumfang zur Verfügung, der deshalb optimal genutzt werden muß. Zweispurgeräte- zumal wenn sie mit einem Dolby- Rauschverminderungssystem ausgestattet sind- lassen einen vergleichsweise weiten Aussteuerungsspielraum zu, während Cassettenrecorder (mit Dolby) und übliche Vierspurgeräte besonders kritisch sind.

Letzten Endes liegt es also in der Hand des Bedienenden, ob er durch geschicktes Aussteuern die gegebenen Daten des Tonbandgerätes voll ausnutzt. Einem geübten Hobby- Tonmeister gelingen auf einem 800- DM- Recorder oft bessere Aufnahmen als jemandem, der so nebenbei mal etwas auf seiner kostspieligen Tonbandmaschine aufzeichnet.


Aussteuerungshilfen

Nun kann aber die Aussteuerung nicht allein dem Geschick einiger eingeweihter Kreise obliegen. Gute HiFi-Tonbandgeräte sollten so ausgelegt sein, daß auch Laien ohne Mühe gut ausgesteuerte Aufnahmen machen können.

Das Wichtigste ist die Vermeidung von Übersteuerungen (Bild 1: obere Kurven), da diese am stärksten zu einer Klangverfälschung beitragen. Die Aussteuerungsanzeigen müssen daher signalisieren, wann die Verzerrungsgrenze des Bandes überschritten wird. Neben der Anzeige dieser absoluten Aussteuerungsgrenze ist natürlich eine Vorwarnung notwendig, so daß die momentan vorhandenen Sicherheitsreserven abgelesen werden können. Aussteuerungsanzeigen weisen daher eine Skala auf, die von mittellaut (-20 dB) bis laut (0 dB) -zur Übersteuerungsgrenze- und darüber hinaus noch weiter in den roten Bereich (bis +3 dB) reicht. Dieser "unerlaubte" Bereich darf nur in extremen Fällen und nur kurzzeitig ausgenutzt werden, weil sonst die Verzerrungen deutlich hörbar werden.


Spitzenwertanzeigen

Der höchste überhaupt auftretende Spannungs- bzw. Lautstärkewert ist für die Größe der Verzerrungen ausschlaggebend. Dieser Spitzenwert sollte also angezeigt werden. Dabei ist es keinesfalls wichtig, daß die Anzeige selbst trägheitslos schnell arbeiten kann, wie z. B. Leuchtdioden. Verantwortlich für die Arbeitsweise der Anzeigen ist die sich dahinter versteckende Elektronik, das heißt der Gleichrichterkreis. Dieser kann nur dann, wenn er geeignet ausgelegt ist, den Spitzenwert eines Signals verarbeiten. Und dies muß, da die Töne in der Musik ja oft nur ganz kurz erklingen, sehr schnell geschehen. Der oft nur 3 ms (entsprechend 3/1000 Sekunden) lang auftretende Spitzenwert wird dabei so lange gespeichert (ca. 200 ms), bis auch ein verhältnismäßig träger Zeiger auf den entsprechenden Wert ausschlagen kann oder eine Leuchtdiodenanzeige für das Auge gut wahrnehmbar wird.


Bewertende Anzeigen

Darüber hinaus muß eine Aussteuerungsanzeige berücksichtigen, ob das Magnetband bei allen Frequenzen gleich stark ausgesteuert werden kann oder nicht. Oft dürfen Magnetbänder nämlich bei tiefen Tönen nicht ganz so hoch und bei hohen Tönen sogar nur deutlich schwächer ausgesteuert werden. Im Hochtonbereich ist dies abhängig von der Bandgeschwindigkeit und der Bandsorte. So ist ein Magnetband mit Chromdioxidbeschichtung bzw. mit einem besonders hochwertigen Eisenoxid einem normalen Band deutlich überlegen. Andererseits kann bei der hohen Bandgeschwindigkeit von 38 cm/s, wie sie in Studios verwendet wird, der Hochtonbereich genauso stark ausgesteuert werden wie die mittleren und tiefen Töne. Studioaussteuerungsanzeigen arbeiten deshalb frequenzlinear, das heißt, sie bewerten alle Tonlagen gleich stark. Bei Spulengeräten mit 9,5 cm/s und bei Cassettenrecordern wäre diese Art von Anzeige aber von Nachteil. Es sind Anzeigen vorzuziehen, die im Hochtonbereich besonders empfindlich ansprechen. Diese können dann durch stärkeres Reagieren den früheren Verzerrungseinsatz bei hohen Tönen wirklich anzeigen. Spitzenwertanzeigen mit Höhenanhebung findet man aber leider nur in sehr wenigen Bandgeräten.


VU- Meter

Hierzu im Gegensatz stehen VU- Meter. Bei Cassettentonbandgeräten kann mit ihnen nur sehr unvollkommen die Übersteuerungsgrenze festgestellt werden. Geräte mit VU-Metern übersteuern oft schon bei einer so schwachen Anzeige wie -12 bis - 4 VU. Gegenüber Spitzenwertanzeigen haben VU- Meter jedoch einen Vorteil: sie zeigen Volume Units (zu deutsch: Lautstärkeeinheiten) an. Mit ihnen können also die Lautstärkeverhältnisse von Musikstück zu Musikstück oder auch zu einer Sprachaufnahme besser abgestimmt werden. Auch erlauben sie weit exakter als Spitzenwertanzeigen eine visuelle Kontrolle der Kanalbalance.

Sollen beide Forderungen, Übersteuerungsfreiheit und Lautstärkeabstimmung, erfüllt werden, so muß man höhenbetonte Spitzenwertanzeigen und frequenzlineare VU- Meter gleichzeitig verwenden.


Bei Aufnahmen von Schallplatte und Rundfunk wird schon ein Großteil der Aussteuerung vorgefertigt. Die Stereobalance muß kaum korrigiert werden. Verschiedene Schallplatten und Rundfunksendungen bedürfen zudem nur einer geringfügig anderen Aussteuerung. Besondere Anforderungen stellen dagegen eigene Mikrophonaufnahmen.


Kritische Klänge

Bei einigen Instrumenten ist ganz besondere Vorsicht geboten. Z. B. erreicht ein Klavierton nach dem Anschlagen der Saite nur ganz kurzzeitig eine extreme Lautstärke, die dann bis zum Anschlagen des nächsten Tones abklingt. Und obwohl die Lautstärkeempfindung gar nicht groß ist. werden diese Lautstärkespitzen verzerrt wiedergegeben. Gleichzeitig kann das Gehör zwischen den einzelnen Tönen Hintergrundrauschen heraushören, zumal dann, wenn es nicht von begleitenden Instrumenten verdeckt wird. Auch Zischlaute und metallische Geräusche werden leicht übersteuert. Sie weisen einen starken Hochtonanteil auf. Das gilt somit auch für das Schlagzeug. Ähnlich ist es mit den heute immer häufiger werdenden elektronisch verfremdeten oder rein elektronisch arbeitenden Instrumenten. Insbesondere der Synthesizer kann mit seinem Obertonreichtum, wie er von "natürlichen" Instrumenten kaum bekannt ist, extreme Anforderungen stellen. Der behäbige Klang mancher Kirchenorgeln dagegen stellt kaum Anforderungen an die Aussteuerungsinstrumente. Ihr Klang ist obertonarm, die Töne sprechen langsam an und klingen mit starkem Nachhall aus (vgl. Bild 2)

 
Spitzenlantstärken verschiedener Musikstücke

2 Zum Vergleich in gleicher Darstellungsart die Spitzenlautstärken zweier Musikstücke relativ zum mittleren Frequenzbereich (in Anlehnung an HiFi- Jahrbuch 9, Seite 36:

A.: Orgelsymphonie von Camille Saint- Saens;
B.: Pleasant Valley Sunday mit James Last).

Musik A ist baßbetont. Musik B dagegen höhenintensiv. Mit guten Aussteuerungsanzeigen kann in beiden Fällen so ausgesteuert werden, daß bei allen Frequenzen ein gewollter Sicherheitsabstand zu den Grenzkurven eingehalten wird.
   
Die praxisgerechte Aussteuerung und ihre Bewertung  
   

Die technischen Daten eines Tonbandgerätes sind nur ein Hinweis darauf, welche Klangqualität bei optimaler Aussteuerung möglich ist. Wie wichtig eine richtige Aussteuerung sein kann, fiel uns besonders bei einem Cassettenrecorder-Hörvergleich auf (-> HiFi-Stereophonie 4/77). Ein Gerät mit überdurchschnittlichen Meßwerten schnitt sehr ungünstig ab. Dagegen belegte ein Gerät des gleichen Typs, nachdem die Aussteuerungsanzeigen von uns umgebaut worden waren, den zweiten Platz direkt hinter unserer Laborreferenz. Eine numerische Bewertung der Aussteuerungseigenschaften erscheint uns daher notwendig. Die beste Bewertung von 10 Punkten soll andeuten, daß die Aussteuerung sehr einfach und bequem von jedem Laien vorgenommen werden kann und daß zusätzlich auch dem engagierten Amateur alles Wichtige geboten wird. Bei 0 Punkten oder sogar negativen Bewertungen kann eine anspruchsvolle HiFi-Qualität -wenn überhaupt - nur mit Fachkenntnissen und durch Überwindung von Bedienungsmängeln erreicht werden. Üblicherweise führen deutliche Übersteuerungen - insbesondere im Hochtonbereich - zu solch schlechten Ergebnissen.


Bewertungskriterien

In unseren Tests werden die Aussteuerungsanzeigen von Spulen- und Cassetten-Tonbandgeräten nach den folgenden Kriterien bewertet:

  1. allgemeine für die Aussteuerung wichtige Eigenschaften (z. B. gehörmäßige Kontrollmöglichkeit, Bedienbarkeit);
  2. optische Eigenschaften (Ablesbarkeit);
  3. technische Eigenschaften (Elektronik);
  4. Aussteuerungseigenschaften über Band (Abstimmung auf die Übertragungseigenschaften).

Und die Maxime der Auswertung: Jeder soll ohne Mühe und ohne besondere Vorkenntnisse jede Art von Programmaterial optimal verzerrungsfrei und rauscharm aufzeichnen können.

1. Aussteuerungspotentiometer und Hörkontrolle
Wie oft ärgert man sich über schlechte Eingangspotentiometer, besonders dann, wenn man wirklich am Gerät arbeitet, also einblendet, die Stereobalance korrigiert oder verschiedene Quellen mischt. Auch müssen Amateure oft bei Wiedergabe die Aussteuerung ablesen können, und dies besonders bei Testtönen (z. B. Dolbyreferenzpegel) möglichst genau. Eine Vorhörmöglichkeit über die Aussteuerungssteiler ist sicherlich sinnvoll. Noch besser ist allerdings eine echte Hinterbandkontrollmöglichkeit. Diese wird daher auch besonders hoch bewertet, und zwar in Verbindung mit guten Kopfhörerverstärkern mit 2 Punkten. Bei Hinterbandkontrolle können eklatante Aussteuerungsfehler hörbar werden, allerdings erst bei laufender Aufnahme, dann aber sofort. Der Bewertungsspielraum kann hier im (seltenen) Extremfall -1,7 bis +5,3 Punkte betragen.

2. Lupe oder Taschenlampe
Was nützt aller technischer Schnickschnack, wenn die Aussteuerung bei Dunkelheit oder bei Auflicht nicht abgelesen werden kann, wenn ein Zeiger schlecht sichtbar ist, die Skalierung verwirrt oder man aus anderen Gründen die Augen stark anstrengen muß. Der Bewertungsspielraum kann hierbei -0,7 bis +2 Punkte betragen.

3. Lautheit oder Übersteuerung
Eine ideale VU-Anzeige wird mit bis zu 2 Punkten honoriert, eine ideale Spitzenwertanzeige mit bis zu 2,7 Punkten (technisch aufwendiger als VU). Sind beide Anzeigearten vorhanden, addieren sich die Punkte. Bei "nur" umschaltbaren Anzeigen werden aber hiervon Abstriche gemacht. Auch kann eine einstufige Spitzenwertanzeige (LED) bei weitem nicht so hoch bewertet werden wie eine mehrstufige Anzeige, da die Vorwarnung entfällt.

4. Rauschend oder dumpf-verzerrt
Nur mit einer optimal abgestimmten Anzeige lassen sich die Verzerrungsgrenzwerte optimal ausnutzen. Für die Anpassungsfähigkeit der Anzeige an unterschiedlichste Klang-und Dynamikstrukturen kann je nach den technischen Eigenschaften der Anzeige und je nach Bandgeschwindigkeit ein Bonus von bis zu 1,3 Punkten gegeben werden. Ansonsten hagelt es in diesem Prüfbereich nur Minuspunkte (und leider oft genug recht zahlreich). (Man wird dabei den Verdacht nicht los, daß für allzuviele Konstrukteure nur Sinustöne existieren und daß sie ihre Geräte nur für Hintergrundmusik einsetzen. ) Eine Übersteuerung mit Sinusdauerton (tritt sehr selten auf) und/ oder mit unserem "Duo-Burst" (siehe getrennte Erläuterungen zu diesem Meßsignal) wird negativ bewertet. Ebenso kann aber auch eine viel zu starke Untersteuerung (das bedeutet unnötig starkes Rauschen) Punkteabzug bedeuten. Wir erwarten bei Dauerton eine Vollaussteuerung, die bei minimal 0,3 bis 0,5% Klirrgrad (-50 bis -46 dB) und bei maximal 3% (-30,5 dB) liegen sollte. Bei unserem Duo-Burst darf der Spitzenpegel für k3 = 3% nicht überschritten werden. Darüber hinaus darf der Obertongehalt dieses Signals bei Vollaussteuerung um nicht mehr als 3 dB abnehmen. Gerade bei dieser letztgenannten Übersteuerungsart können 7 Punkte Abzug und mehr durchaus möglich sein. Dieser Wert ist besonders stark abhängig von der Bandgeschwindigkeit oder auch vom Bandtyp (Fe oder Cr), so daß diese Hochtonübersteuerung vor allem zu den unterschiedlichen Gesamtbewertungen der praxisgerechten Aussteuerung bei demselben Gerat beiträgt. Bei einem optimalen Gerät könnte die Spitzenbewertung von 10 Punkten sogar überschritten werden (12 Punkte!). Dieses Optimum existiert derzeit aber lediglich auf dem Wunschzettel eines HiFi-Tonbandamateurs.


Aussteuerungsautomatik?

Zur Zeit müssen Aussteuerungsautomatiken für hochwertige HiFi-Aufnahmen aus folgenden Gründen abgelehnt werden.

  1. Durch die elektronische Pegeleinstellung werden nichtlineare Verzerrungen (insbesondere Intermodulationen) erzeugt, oft werden auch Regelimpulse in den Signalweg eingekoppelt (das sind signalfremde zusätzliche Baßimpulse, die bei einem Lautstärkesprung entstehen).
  2. Das optimale Aussteuerungsniveau wird nur selten richtig bestimmt (das gleiche Problem wie bei Aussteuerungsanzeigen). Zudem werden die Anfänge von Musikstücken in jedem Fall stark verzerrt, bis die Automatik sich auf den richtigen Aussteuerungswert eingestellt hat. Der Nachregelbereich ist zu groß, so daß die Dynamik über ein tolerierbares Maß hinaus eingeengt wird.

Vor kurzem wurden Meßreihen an preiswerten Noch-nicht-HiFi- Cassettenrecordern mit Aufnahmeautomatik durchgeführt. Die Ergebnisse waren erschreckend. Beachtenswert ist aber, daß nur wenige Produzenten etwas mehr Aufwand in der HiFi-Klasse treiben. Eine Bewertung der Aussteuerungsautomatik entfällt in unseren HiFi-Tests aus den oben genannten Gründen im Normalfall. Eine Ausnahme bilden Reportagegeräte. Ein Limiter- also eine zur Handaussteuerung zusätzlich wirksame „Notbremse" - ist dagegen prinzipiell durchaus sinnvoll. Da jedoch auch hier die Schaltung zu oft sehr billig ausgeführt wird und die Ansprechschwelle fast immer deutlich zu hoch liegt, kann kaum ein Gerät einen Zusatzpunkt erhalten.

 
   
Duo- Burst  
   

Warum?
Wir möchten unsere Leser möglichst wenig mit praxisfremden Daten belasten, das tun die Hersteller schon zur Genüge. Die Angaben: "x % Klirrtaktor bei 0-dB-Anzeige" oder "3% Klirrfaktor bei +y-dB-Anzeige" geben keine praxisnahen Betriebsbedingungen wieder. Ja, es ist sogar häufig so, daß gerade die Geräte, die in diesen zwei Punkten gut erscheinen, bei Musik übersteuern. Wir geben diese Werte daher nicht zahlenmäßig an. Wer sich aber dennoch für diese Basisdaten interessiert, kann sie - eingebettet in zusätzliche Informationen - aus unserem Aussteuerungsdiagramm ablesen. Musik ist eben etwas anderes als ein 333-Hz-Sinus.

Wie?
Man nehme eine 500-Hz-Rechteckschwingung (Bild 1; die Tonhöhe entspricht dem h'). Diese wird zweifach zerhackt. Daher kommt auch der Name "Burst" (englisch für Impuls, Stoß). Beim ersten Zerhacken wird das Rechtecksignal in vier Perioden "aus"- und in vier Perioden "eingeschaltet" (nullpunktsynchron). Ein solcher Zyklus (vier aus, vier ein) dauert 16 ms. Dieser Einfach-Burst (Bild 2) wird nun nochmals geschaltet, und zwar einmalig für acht Zyklen ein. Er dauert also 8 x (4 + 4) = 64 Perioden (Duo-Burst; Bild 3, anderer Zeitmaßstab!). Dieses so gewonnene Signal zeichnet sich durch drei wichtige definierte Eigenschaften aus:

  1. konstante Dauer: 128 ms ~ 1/8 s (oder für unsere Musiker entsprechend einer 1/16 Note bei einem Taktmaß von MM 1/4 Note entsprechend 120);
  2. konstanten Zusammenhang von Mittelwert (Gleichrichtwert), Effektivwert (Leistungsinhalt) und Spitzenwert (Amplitude);
  3. konstantes, genau bekanntes Obertonspektrum.
 
Rechtecksignal 500Hz 1 Rechtecksignal 500 Hz (Zeitmaßstab 2 ms/Skt)
Einfach Burst
2a Einfach-Burst vier aus / vier ein (sonst wie 1)
Einfach Burst
2b Wie 2a, jedoch Zeitmaßstab geändert (20 ms/Skt)
Duo Burst
3 Duo-Burst: acht Zyklen des Einfach-Burst eingeschaltet (Zeitmaßstab wie 2b)
Duo Burst
4 Wie 2a, jedoch Grundfrequenz auf 2 kHz umgeschaltet
Duo Burst 5 Wie 2a, jedoch Nullinie verschoben (hier: negative Impulse)
Zu 1 und 2: Aufgrund der gewählten Impulsfolge sprechen studiomäßige VU-Meter so an, daß sich mit diesem Impuls ungefähr Vollaussteuerung ergibt (entsprechend einem Anzeigevorlauf von knapp 8 dB). Der Duo-Burst entspricht damit dynamisch einem Musiksignal, denn gerade aus der üblichen Aufnahmepraxis heraus legte man den VU-Vorlauf im Mittel auf 8 dB fest.

Zu 3: Der Obertonanteil (siehe Spektralanalyse Bild 6) beträgt für die 10-kHz-Terz -26 dB, bezogen auf den Gesamtpegel, und -23,5 dB, bezogen auf den Pegel bei mittleren Frequenzen. Für die Analyse des Obertongehaltes wird übrigens nur der Einfach-Burst verwendet. Oberhalb 10 kHz wurde der Obertongehalt bewußt eingeschränkt (10-kHz-Tiefpaßfiiter 6 dB/Oktave). Der Obertongehalt entspricht durchschnittlichen Werten. Das geht auch daraus hervor, daß die UKW-Hochtonquaiität ausreicht, dieses Testsignal mit zufriedenstellenden bis sehr guten Ergebnissen zu übertragen.

Wozu?

Analyse der Aussteuerungsanzeigen
Während des zweifachen Zerhackprozesses des Rechtecksignals bleibt die Amplitude des Signals unverändert. Diese Tatsache wird bei der Analyse ausgenutzt. Die unterschiedliche Reaktion der Aussteuerungsanzeigen bei dem kontinuierlichen Rechtecksignal und dem Einfach-Burst gestattet es, Rückschlüsse zu ziehen auf die Bewertung der Signalfeinstruktur (Spitzenwert- bis Mittelwertanzeige). Beim Duo-Burst kommt die unterschiedliche Ansprache auf die Signalgrobstruktur hinzu (Anstiegszeit, sehr schnell bis träge). Auch die Rücklaufzeit nach dem einmaligen Impuls ist wichtig für den Zusammenhang zwischen Aussteuerungsanzeige und Lautstärkeeindruck. Für weitere Analysen kann der Duo-Burst-Generator aber auch auf eine Grundfrequenz von 2 kHz (h'") umgeschaltet werden (Bild 4). Der Obertonanteil nimmt um 6 dB zu, die Impulszeiten betragen nur noch ein Viertel. Dies simuliert den extremen Fall von Musik mit besonders ausgeprägten Lautstärkespitzen und ungewöhnlichem Hochtonreichtum. Auch kann die Signalsymmetrie zur Nullinie verändert werden (Bild 5), um die unterschiedliche Ansprache der Gleichrichter auf die zwei Halbwellen einer Wechselspannung zu untersuchen (Umpolfehler). Das ist wichtig für Spezialfälle, wie z. B. die Aufnahmen synthetischer Musik. Elektronische Orgeln und Synthesizer erzeugen oft unsymmetrische Impulse. Bei ungünstigem Umpolfehler können dann krasse Übersteuerungen auftreten.

Analyse der Aussteuerungswerte über Band
In diesem Praxistest steuert man den Duo-Burst bis 0 dB Anzeige oder Ansprache einer sonstigen Anzeige (z. B. LED-Leuchte) nach Angabe des Herstellers aus. Aufnahme und Messung erfolgen dann bei dieser Aussteuerung, jedoch mit dem Einfach-Burst. Der Wiedergabepegel wird im Aussteuerungsdiagramm eingetragen. Er soll nicht über dem für k3 = 3% liegen, da andernfalls in der Praxis Verzerrungen hörbar sind. Zudem wird der Obertongehalt des Burst bei Wiedergabe mit dem bekannten Original vor der Aufnahme verglichen. Bei einer guten Aufnahme darf sich natürlich der Obertongehalt nicht verändern.


Aber die Musik?


Die Musik kommt in unserem Hörtest zur Geltung. Auch ein Duo-Burst kann sie (glücklicherweise!) nicht ersetzen. Da wir aber über unsere Ohren nicht messen können und kaum quantifizierbare und genau reproduzierbare Urteile fällen können, hilft der Duo-Burst uns entscheidend weiter, insbesondere beim Vergleich verschiedener Geräte über größere Zeiträume. Immerhin erfüllt der Duo-Burst drei wichtige Eigenschaften der Musik: 1. Wie der musikalische Klang ist er von kurzer Dauer. 2. Während seiner Dauer weist er eine wechselnde Impulsform auf. 3. Er umfaßt ein breites Grund- und Obertonspektrum, und zwar insgesamt von 63 Hz (Kontra-H) bis an die obere Hörgrenze. (Punkt 1 ist übrigens der Grund, daß wir unsere frühere 200-Hz- und 2-kHz-Burst-Meß-methode durch den neuen Duo-Burst abgelöst haben.)


Obertongehalt und Frequenzgang prinzipiell dasselbe?

Verändert man den Höhenfrequenzgang, so verändert man auch zwangsläufig das Obertonspektrum. Es handelt sich also um die gleiche Wirkung und damit um den gleichen Höreindruck. Um keine Verwirrung zu stiften und die Ursachen klar zu unterscheiden, wählten wir aber verschiedene Bezeichnungen. Der Frequenzgang wird nach DIN bei Bandmagnetisierungen bestimmt, die einer mittellauten Wiedergabe entsprechen. Wir suchten nun eine Größe, die bei praxisnaher Vollaussteuerung (also laut) die zusätzliche (!) Frequenzgangänderung angibt. Dies nannten wir "Verminderung des Obertongehaltes bei Vollaussteuerung". Bei unserer Auswertung wird der übliche Frequenzgangfehler eliminiert und nur die aussteuerungsabhängige Verschlechterung des Frequenzganges angegeben. Der Obertongehalt bewertet den Bereich von 7,5 kHz bis 17 kHz (-3 dB), der Schwerpunkt der Bewertung liegt bei 11 kHz (siehe Bild 6).
 
Spektralanalyse Einfach Burst 6 Spektralanalyse des Einfach-Burst in Terzschritten. Die deutlichen Anteile der 500-Hz-Grundfrequenz sowie der ungeraden Harmonischen bei 1,5 kHz und 2,5 kHz sind zu erkennen, ebenso die Anteile der Burst-Wiederholfrequenz von 500/8 Hz = 63 Hz sowie deren ungeraden Harmonischen bei 200 Hz und 315 Hz. Zusätzlich ist der Obertongehalt bei Bewertung über unser Meßfilter dargestellt. Er umfaßt im wesentlichen die oberste Oktave des Hörbereichs
Hierzu wurde ein besonderes Filter erstellt. Wird in einem Gerät die Bandbreite auf maximal 16 kHz begrenzt (UKW-Übertragung, Tonbandgeräte mit MPX-19-kHz-Filter), kann immer noch eine sehr gute Bewertung (9 Punkte) erreicht werden. Dies entspricht auch unserer Hörerfahrung. Die letzte bleibende Qualitätsstufe zu 10 Punkten ist allerdings für sehr geübte Ohren noch feststellbar. (Bei unserer früheren 2-kHz-Burst-Methode wurde die Obertongehaltverminderung geometrisch aus der Steilheit der Impulsflanke errechnet. Die Klangqualität wurde durch Angabe der bei Vollaussteuerung gegebenen oberen Eckfrequenz (entsprechend -3 dB) bestimmt. Eine frühere Angabe 10 kHz entspricht demnach ungefähr der neueren Bewertung mit 7 Punkten.)


MPX-19-kHz-Filter


Allen unseren Lesern sei angeraten, bei 9,5 cm/s und noch geringerer Bandgeschwindigkeit bei hochtonreichen Aufnahmen das MPX-Filter einzuschalten (zumal bei Dolby-, dbx-, High-Com-Betrieb). Die Absicht, Töne oberhalb 15 kHz aufzeichnen zu wollen, die dann - auch wenn sie nur mittellaut sind -doch nicht sauber gespeichert werden, wirkt sich negativ auf den Frequenzbereich bis herab zu 5 kHz aus. Dieser "tiefere" Hochtonbereich wird besser gespeichert, wenn das Band (und auch das Kompandersystem) nicht mit unnötig hohen Frequenzen überlastet wird. Es stellen sich hier ähnliche Effekte wie bei Transientenverzerrungen ein, die ja derzeit in aller Munde sind.


Aussteuerungsgrenzwerte

Aus der Gesamtheit der ermittelten Daten bestimmen wir Aussteuerungsgrenzwerte, die für eine weitgehend übersteuerungsfreie bzw. verzerrungsfreie Aufnahme gelten. Je nach persönlichen Wünschen kann natürlich bei störendem Rauschen von diesen Werten auch nach oben hin abgewichen werden. Rauschfreiheit und Verzerrungsarmut einer Aufnahme sind immer Gegenstand eines Kompromisses.


Merksatz für Händler und Werbeleute


Nicht jedes Aussteuerungsinstrument ist ein träge ansprechendes VU- Meter. Nicht jeder optische Indikator (Leuchtdioden-, Flüssigkristall- oder Fluoreszenzanzeige) ist ein trägheitslos arbeitendes Spitzenwertmeter.
 
a. k.

aus: HiFi Stereophonie Mai 1979

Herzlichen Dank an die Motorpresse Stuttgart für die Erlaubnis, diesen Artikel hier zu veröffentlichen.
 
 
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