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Heinz Thiele |
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Kein Zufall |
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Entwicklung der
Hf-Vormagnetisierung |
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Die Magnetbandtechnik basiert, abgesehen von einer
Vielzahl zum Teil bedeutender Verbesserungen, auf drei fundamentalen
Erfindungen: Dem Tonband selbst, erfunden 1928 von Pfleumer
in Dresden [1], dem ringförmigen Magnetkopf mit einseitiger
Auflage des Bandes auf beiden Polen, erfunden 1933 von Schüller
in Berlin [2], sowie schließlich dem Hochfrequenz-Vormagnetisierungsverfahren,
erfunden 1940 von Dr. Weber in Berlin [3]. |
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Wenn es nicht
auf guten Störabstand ankommt, kann auf die Hf-Vormagnetisierung
verzichtet werden. Die Redaktion hatte kurz Gelegenheit, ein
Kriegsberichterstattermodell, ausgestattet mit Federantrieb
und Gleichstrom-Vormagnetisierung, zu studieren (Foto: Au) |
Es mindert in keiner Weise die Bedeutung dieser
Neuerungen, daß es in allen drei Fällen Vorerfindungen
gab. Pfleumer, Schüller und Dr. Weber waren es nämlich,
die nicht nur entsprechende Schutzrechte erhielten, sondern
ihre Arbeiten bis zur Praxisreife weiterführten und dann
darüber hinaus für eine Anwendung sorgten.
Es ist bekannt, daß Pfleumer im Zusammenhang mit Entwicklungsarbeiten
an Zigaretten-Mundstücken zu seinem Band kam und wie Schüller
nach Untersuchungen an bereits bekannten Magnetköpfen den
Ringkopf erfand.
Dagegen gibt es in allgemein zugänglichen Veröffentlichungen
keine Schilderung des tatsächlichen Herganges der Weberschen
Überlegungen und Versuche, die zu seinem berühmten
"Hochfrequenz"-Patent führten. Gemeinsam ist
den zahlreichen Darstellungen, daß Weber seine Erfindung
einem Zufall verdankt. Recht unterschiedlich ist beschrieben,
wie es zur Hf gekommen sein soll: Der Verstärker oder Aufsprechverstärker
habe unbeabsichtigt Hf-Schwingungen erzeugt [4, 5], die Schaltung
sei von einer vorbeiführenden Hf-Leitung beeinflußt
worden [6], ein gegengekoppelter Verstärker sei durch Vertauschen
der Gegenkopplungsleitungen ungewollt zum Schwingen gekommen
[7] und andere Deutungen mehr.
Daß es sich bei dem Hf-Generator um einen zusätzlichen
Verstärker gehandelt hat, der in keiner üblichen Aufsprechschaltung
vorkommt, geht aus den diversen Beschreibungen nicht hervor.
Da kam mir - wie könnte es anders sein - der Zufall zu
Hilfe. Ich fand eines der Original-Exemplare einer Berichts-Reihe,
welche unmittelbar nach dem Kriege deutsche Fachleute für
die sowjetische Besatzungsmacht anfertigen mußten. Auftraggeber
war das "Russische technische Büro für Kinematographie
in Deutschland", abgekürzt TBK, "Labor für
Magnettontechnik", Leiter des TBK: Weklenko, Leiter der
Abteilung für Magnettontechnik: Kramaroff, Leiter des Themas:
Ing. E. Augustin.
Es handelt sich hier um den "Bericht zum Thema Nr. 16 für
1947, Teil 2, "Untersuchungen der in Deutschland entwickelten
elektromagnetischen Methode der Tonaufzeichnung (Magnetophon)
und ihre Verwendung in der Kinematographie". In diesem
Werk beschreibt Augustin, der in den dreißiger Jahren
Angehöriger der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft und später
bei der TOBIS in Johannisthal tätig war, wie sich die Entdeckung
der Hf-Vormagnetisierung tatsächlich zugetragen hat und
auch die dem Effekt zu Grunde liegende Schaltung ist angegeben.
Obwohl dieser Bericht keine Zweifel mehr offen läßt,
bemühte ich mich nun erst recht um weitere Unterlagen.
Ich erhielt schließlich die Kopie eines Aktenvermerks
aus der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft vom 9. 11. 1940, verfaßt
von Weber persönlich und zwar betreffend ein Kolloquium
innerhalb der RRG, abgehalten am 23. 10. 1940. Leider fehlen
die darin erwähnten Zeichnungen.
Es ergibt sich jedoch erfreulicherweise aus dem Vergleich des
Weberschen Aktenvermerkes mit dem Augustin-Bericht, daß
Augustin weitgehend wörtlich die Webersche Niederschrift
übernommen hat und die in seinem Bericht vorhandenen, mir
vorliegenden Schaltbilder und Zeichnungen ebenfalls aus dem
Aktenvermerk stammen.
Brückenschaltung
Die von Weber verwendete Schaltung (Bild 1) stellt eine Brücke
dar, in deren oberen Zweig der Sprechkopf 1 in Serie mit einem
zweiten Kopf 2 liegt. Die Eigenschaften des Kopfes 2, insbesondere
dessen Scheinwiderstand, entsprechen dem des Sprechkopfes 1.
Den zweiten Brückenzweig bilden die beiden identischen
Widerstände R1 und R2. Der Nullzweig der Brücke c
- d ist mit einem Verstärker verbunden, dessen Ausgang
mit dem Eingang der Schaltung a - b in Verbindung steht. |
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Bild 1. Gegenkopplungsschaltung
von Weber zum Vermindern der Störspannung. Im Verlaufe
der Gegenkoppelversuche neigte die Versuchsschaltung bei starken
Kopplungsgraden zur Selbsterregung; gleichzeitig wurde ein beträchtliches
Absinken des Störgeräusches beobachtet |
Der ursprüngliche Sinn dieser Schaltung wurde
von Weber bereits in der Patentschrift des ihm unter der Nummer
693 664 ab 10. 2. 1938 erteilten DRP unter Verwendung eben dieses
Schaltbildes beschrieben. Kurz gefaßt: Der Sprechstrom
wird dem Netzwerk bei a und b zugeführt. Unabhängig
von der Serienschaltung beider Köpfe und den dazu parallel
liegenden Widerständen wird das am Kopf 1 vorbeilaufende
Band wie üblich magnetisiert, weil der Sprechstrom auch
durch die Spule des Kopfes 1 fließt. Bei Brückengleichgewicht
ist an c und d kein Signal vorhanden. Dieser Fall tritt nur
bei stillstehendem Band ein. Sobald sich dieses bewegt, entsteht
u. a. in Folge von Band-Inhomogenitäten in dem nunmehr
gleichzeitig als Hörkopf aufzufassenden Kopf 1 eine Störspannung,
welche an den Punkten c und d erfaßbar ist und zwar der
Brücke wegen ohne einen Anteil des Aufsprechsignals. Weber
verstärkte diese Störspannung und führte sie
um 180° gedreht dem Eingang der Schaltung a - b zu.
Es handelt sich also um eine Art von Gegenkopplung und in der
Tat verminderte sich die resultierende Störspannung. Dies
stellt bereits einen Erfolg dar.
Überragende Bedeutung ist den Untersuchungen allerdings
aus einem anderen Grunde beizumessen. Darüber berichtet
Weber in seinem Aktenvermerk vom 9. 11. 1940 auf S. 4 unter
Punkt 4 wie folgt:
"... Die Gegenkopplungsversuche brachten bei orientierenden
Versuchen einen Dynamikgewinn von ebenfalls 3 dB. Weitere Versuche
wurden nicht durchgeführt, da neue Gesichtspunkte die weiteren
Experimente in andere Bahnen lenkte. Bei den Gegenkopplungsversuchen
neigte die Versuchsschaltung bei starken Kopplungsgraden zur
Selbsterregung. Beim Eintreten der Selbsterregung wurde ein
ganz beträchtliches Absinken des Störgeräusches
beobachtet. Diese Erscheinung wurde damit erklärt, daß
der Film durch die hohe Frequenz im Sprechkopf auf den jungfräulichen
Zustand zurückmagnetisiert wird und damit wegen seines
unmagnetischen Zustandes keine Störspannung induziert.
Der Vorgang ähnelt dem Löschen mit Wechselstrom.
Die Verminderung des Störgeräusches durch die Hochfrequenz
legte den Gedanken nahe, die bereits unter Punkt 4 erwähnte
Noiseless- oder Reintonsteuerung mit der Hochfrequenz zu versuchen.
Der erste Versuch in der Richtung wurde so angestellt, daß
Hochfrequenz und Niederfrequenz einfach gemischt auf den Sprechkopf
gegeben wurden. Die Erwartung, daß eine Aufzeichnung der
Niederfrequenz nicht stattfinden würde, trat nicht ein.
Vielmehr wurde die Nf sehr sauber und mit viel geringerem Störgeräusch
aufgezeichnet. Durchgeführte Messungen ergaben eine Störgeräuschsenkung
von 10 dB bei einer Klirrfaktorverminderung von 10 % auf 3 %,
bezogen auf die gleiche Spannung am Hörkopf. Diese Erscheinung
wurde weiter verfolgt. Sie führt im Endergebnis zu den
nachstehend beschriebenen neuartigen Aufsprechverfahren".
Die physikalischen Vorgänge
Weber geht dann auf "die beim Aufsprechvorgang sich abwickelnden
physikalischen Vorgänge... " ein und schreibt schließlich:
"Die erzielten Eigenschaften nach dem neuen Aufsprechverfahren
sind in Abb. 9 dargestellt. " Diese Abb. 9 entspricht der
Abb. 21 des TBK-Berichtes und ist hier als Bild 2 abgebildet.
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Bild 2. Erzielte
Eigenschaften nach dem von Weber gefundenen Aufsprechverfahren
mit Hochfrequenz-Vormagnetisierung |
Weber schließt seinen Aktenvermerk mit der
Feststellung: "Mit diesen Eigenschaften erreicht das Magnetophon
die Qualität der bisher besten Schallaufzeichnungsverfahren
(Philips-Miller-Tonfilm). Der Aufwand, mit dem diese Qualität
erreicht wird, ist allerdings wesentlich geringer, sowohl hinsichtlich
der verwendeten Aufnahmemaschinen als auch des Schallträgers."
Patentiert wurde dieses bedeutsame Schutzrecht DRP 743 411 unter
der Bezeichnung "Verfahren zur magnetischen Schallaufzeichnung"
am 28. 7. 1940.
Weber ertrank gegen Ende des Krieges in der Gegend von Posen,
wohin sein Labor verlagert worden war. Bis zu seinem Tode sind
vermutlich nur einige hundert Geräte seiner Erfindung entsprechend
ausgerüstet worden. |
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Literatur
[1] |
Pfleumer, F.: Lautschriftträger, DRP 500 900 v.
31. 1. 28. |
[2] |
Schüller, E.: Magnetisierungskopf für Längsmagnetisierung
von Magnetogrammträgern, DRP 660 377 v. 24. 12. 33. |
[3] |
v. Braunmühl, H. J.; Weber, W.: Verfahren zur magnetischen
Schallaufzeichnung, DRP 743 411 v. 28. 7. 40. |
[4] |
Kluth, H.: Tönende Schrift, Orion Bücher Band
51, S. 51. |
[5] |
N. N. Jugend und Werk, Zeitschrift für die Werkjugend
der Badischen Anilin & Soda-Fabrik AG, Ludwigshafen
a. R., Heft 4, 12. Jahrgang 1961, S. 39. |
[6] |
Hobbie, E.: Das erste Magnetophon im Einsatz, FUNKSCHAU
1976, Heft 5, S. 39. |
[7] |
Pfau, E.: Zauberwort Stereo, Hobby Bücherei Band
IX, Ehapa-Verlag, S. 44. |
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Stichworte zum
Inhalt
Hf-Vormagnetisierung in seiner Entwicklungsgeschichte, gegengekoppelter
Verstärker, Selbsterregung führt zur Verminderung
des Störgeräusches, Klirrfaktorverminderung, Philips-Miller-Tonfilm-Schallaufzeichnungsverfahren. |
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aus: Funkschau 16/1982 Seiten
45/46
Herzlichen Dank an die
Funkschau für die Erlaubnis, diesen Artikel hier zu
veröffentlichen. |
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